Nach der Begrüßung durch Vereinspräsident Peter Rieder zum 101. SF am 18.2.2024, das sich der bevorstehenden Premiere der Oper La Juive widmete, schilderte Moderator Christoph Blitt den Inhalt der Oper und die Biografie des Komponisten Fromental Halévy. La Juive zählte früher zu den meistgespielten Opern und stellt inhaltlich eine Mischung aus Verdis Il Trovatore und Lessings Nathan der Weise dar. Historischer Hintergrund der Handlung von La Juive ist das Konzil von Konstanz, das 1414 wegen der infolge der Berufung dreier Päpste drohenden Spaltung der römisch katholischen Kirche einberufen wurde. Rachels angeblicher Vater, der reiche jüdische Goldschmied Éléazar, hat sie, die Tochter des nunmehrigen Kardinal Brogni, aus einer Feuersbrunst gerettet und aufgezogen, ist aber nicht bereit, das Geheimnis preiszugeben. Éléazar bietet Rachel an, zum Christentum zu konvertieren, doch Rahel lehnt ab und wird hingerichtet. Triumphierend ruft Éléazar bei der Hinrichtung dem Kardinal zu „Sieh dort dein Kind“, daraufhin bricht Brogni zusammen.

Fromental Halévy wurde 1799 als Sohn jüdischer Eltern geboren. Sein Vater war Schriftsteller, Kantor und Sekretär der jüdischen Gemeinde in Paris. Bereits mit 9 Jahren trat Fromental in das Pariser Konservatorium ein und wirkte dort später als Repetitor und schließlich als Professor. Seine Tochter Genevieve Halévy heiratete allerdings erst nach dem Tod Fromentals dessen ehemaligen Schüler und späteren Komponisten George Bizet.

La Juive war die erste große Oper Halévys. Er schrieb zwar auch später bedeutende Werke, doch der ganz große Erfolg blieb aus. Dennoch gehört er mit seinem umfangreichen Schaffen zu den ganz Großen der damaligen Pariser Opernwelt. Bedeutend war seine Zusammenarbeit mit Eugene Scribe, der das Libretto zu La Juive verfasste. Auch der Bruder des Komponisten, Leon Halévy hatte großen Einfluss auf seine Werke.

Nach der Cavatine des Éléazar „Dieu que ma voix tremblante“, gesungen von Matjaž Stopinšek schilderte Blitt unter dem Titel „Exportschlager aus der Hauptstadt des 19. Jahrhunderts“ die Pariser Opera und ihre politischen Implikationen. Die Pariser Oper war zweifelsohne das wichtigste Musiktheaterinstitut in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, vergleichbar mit der heutigen Bedeutung Hollywoods für die Filmszene. Interessant ist, dass viele der damaligen großen Opernerfolge wie auch Meyerbeers Les Hugenots oder Le Prophete Geschichten zum Inhalt haben, die nicht nur packend und spannend, sondern auch düster und tragisch sind.

La Juive gehört zu den großen Werken der Grand Opera, die gekennzeichnet war durch die Verwendung der französischen Sprache, ihre durchkomponierte Form in fünf Akten, einen obligatorischen Tanz sowie Gleichwertigkeit von Musik und Szene. Alle Parameter sollten außerdem einer inhaltlichen Gesamtidee der jeweiligen Oper untergeordnet sein.

Unter dem Titel „Zwischen Rache und Vergebung“ führte Blitt ein Gespräch mit Marc Adam, Dieter Richter, Sven Bindseil und Yannis Pouspourikas über die Linzer Neuinszenierung von La Juive. Die Situation der Juden wurde zwar durch die Abschaffung verschiedener sie benachteiligender Regeln zusehends besser, aber trotz Abschaffung des Katholizismus als Staatsreligion und der Zunahme der Anzahl jüdischer Journalisten in Paris gab es weiterhin Ressentiments und Vorurteile.

An der Aktualität des Stückes hat sich bis heute nichts geändert. Zum Teil hat sich die Situation sogar verschärft. Man wird den Inhalt des Stückes heute anders betrachten müssen als im 19. Jahrhundert und aufgrund der aktuellen Ereignisse sogar anders als noch vor etwa vier Jahren. Die Linzer Inszenierung zeichnet sich durch eine offene Form aus und sieht sich nicht gezwungen, tagespolitische Aspekte kommentieren zu müssen. Da das Stück einige Karikaturen enthält, könnte es sogar als antisemitisch aufgefasst werden, ist es natürlich nicht, sondern richtet sich gegen Fanatismus. Wesentlich ist dessen Patt-Ausgang. Es gibt keinen Gewinner, sondern nur Verlierer. Den musikalischen Ausklang des SF bildete die Romance der Rachel „Il va venir“, dargebracht von Erica Eloff, am Klavier begleitet von Jinie Ka. Insgesamt war es ein SF über ein Werk, das zum Nachdenken anregt. Der Applaus und die nachfolgende Unterhaltung der Besucher zeigten ihre Ergriffenheit und den Wunsch, die Aufführung möglichst bald besuchen zu können.

Irene Jodl
Fotograf: Fleckenstein

Fotos 101. SF