Fast könnte man meinen, dass Rossinis Il barbiere di Siviglia gerade passend zur Faschingszeit auf dem Spielplan des Linzer Landestheaters steht, doch kann dieser Eindruck täuschen. Musiktheater-Chefdramaturg Christoph Blitt, der das SF am 7.1.2024 moderierte, zeigte auf, dass neben den gesicherten Daten aus Rossinis Biografie auch Legenden überliefert sind.

Die Handlung von Il barbiere di Siviglia (Text nach der gleichnamigen Komödie von Pierre A. Caron de Beaumarchais) folgt einem leicht verständlichen Grundmuster und lässt sich – vergleichbar der commedia dell´arte – in vier Punkte zusammenfassen: 1. Dr. Bartolo findet Gefallen an dem ihm anvertrauten Mündel Rosina und will das Mädchen heiraten. 2. Rosina will aber ihren alten Vormund nicht. 3. Der reiche Graf Almaviva findet ebenfalls Gefallen an Rosina und umgekehrt. Um aber sicherzugehen, dass Rosina ihn nicht wegen des Geldes liebt, verschweigt er seinen wahren Namen und seine Herkunft. 4. Beide Rivalen haben Gehilfen, bei Almaviva ist es der schlaue Barbier Figaro.

Über Rossinis Leben ist überliefert, er sei ein begeisterter Koch gewesen und habe gerne gegessen und getrunken. Mitunter wird  geradezu das Bild eines „faulen“ Komponisten vermittelt. Dies war er keinesfalls, hat er doch 39 Opern komponiert. Auch nach seinem „Rückzug“ von der Opernbühne sind noch zahlreiche Werke entstanden.

Rossini hatte Humor, aber er war kein einfacher Mensch, sondern neigte zu Pedanterie und einem Unbehagen gegenüber Fortschritt und Umwälzungen. Bei ihm sind zwar Ironie, Witz und manchmal ein gewisser Zynismus zu finden, doch machen diese nicht sein Wesen aus, sondern sollen möglicherweise geradezu über seine wiederholt auftretenden depressiven Zustände hinwegtäuschen.

Man behauptet, Rossini sei ein Vertreter der komischen Oper gewesen. Bei näherer Betrachtung kommt man jedoch zu dem Schluss, dass vielmehr die Opere serie den Schwerpunkt seines Schaffens bilden. Vor der Überleitung zum Gespräch mit Claudio Novati (musikalische Leitung) und Gregor Horres (Inszenierung) schilderte Blitt die Entstehungsgeschichte der Oper, die Rossini in zwölf Tagen komponiert hatte und im Teatro Argentina in Rom die Uraufführung feierte. War die Premiere noch mit Problemen behaftet, setzte sich bereits nach der zweiten Aufführung die Oper mit großem Erfolg durch.

Claudio Novati erläuterte die Vielfältigkeit der musikalischen Sprache bei Rossini, bei der es immer wieder neue Details zu entdecken gibt. Bei den Linzer Aufführungen wird der Orchestergraben sehr hoch gefahren, um die Distanz zwischen Musiker und Sänger auf ein Minimum zu reduzieren. Gregor Horres betonte die Dynamik der Handlung. Im Mittelpunkt steht der geldgierige Bartolo, der sich alles leisten kann, aber nicht ans Aufhören denkt. Graf Almaviva hingegen liebt und meint es aufrichtig mit Rosina, was sich auch in der Musik ausdrückt. Gerade die beiden sich gegenüber stehenden Pole Bartolo und Almaviva verlangen einen gewissen Humor, dürfen aber bezüglich Mentalität und Wirkung nicht unterschätzt werden, kann doch Witz nur funktionieren, wenn man davor ernst ist und das Lachen geradezu vorbereitet wird.

Dass ein alter Mann ein jüngeres Mädchen begehrt, dieses aber einen anderen liebt, findet man auch heute noch. Insofern ist das Stück durchaus zeitgemäß.

In musikalischer Hinsicht wurden wir diesmal nicht nur „verwöhnt“ sondern zu wahrer Begeisterung hingerissen mit den Musikstücken Canzone des Conte „Se il mio nome“ mit der geradezu überzeugend dargestellten Nervosität bei seinem Ständchen an Rosina, der Arie des Don Bartolo „A un dottor della mia sorte“ mit dem schnellen buffo-Plappern, der Cavatina des Grafen „Ecco ridente in cielo“ und der Cavatina der Rosina „Una voce poco fa“ , gesungen von SeungJick Kim, Michael Wagner und Angela Simkin, am Klavier begleitet von Kapellmeister Novati. Das Publikum dankte mit entsprechendem Applaus.

Irene Jodl
Fotograf: Fleckenstein

Fotos 99. SF