Präsident Rieder begrüßte beim SF am 10.9.2023 die zahlreichen Besucher zu Beginn des 40. Vereinsjahres und der 11. Spielzeit des MT anlässlich der Neuinszenierung der Oper „Der Freischütz“. Der leitende Musikdramaturg Christoph Blitt führte uns unter dem Titel „Tonkünstlers Leben“ mit kurzen Bemerkungen zum Inhalt des Freischütz und zur Biographie des 1786 in Eutin als Sohn einer Wandertheaterfamilie geborenen Carl Maria von Weber in das Werk ein. Nach den Schilderungen der wichtigsten Stationen des Komponisten und überleitenden Bildern von Pferden und einem die Umgebung verschleiernden Vulkanausbruch hörten wir die berührende Kavatine der verängstigten Agathe „Und ob die Wolke sie verhülle“ begeisternd dargeboten von Erica Eloff.

Unruhig war nicht nur das Leben des Komponisten, sondern es herrschten – wie Blitt erläuterte – generell unruhige (Opern-)Zeiten. In der Opernwelt ging es um Webers Konflikte mit seinem „wälschen“ Kollegen Spontini, der sogar – allerdings keinen echten – Elefanten auf der Bühne auftreten ließ. Man mag über die Anekdoten, die nicht alle stimmen müssen, lächeln, doch geschah dies vor einem ernstzunehmenden Hintergrund, nämlich der militärischen Auseinandersetzung mit Napoleon, die in einer Art Stellvertreterkrieg auf ideologischer Ebene in den Theaterbereich verlagert wurde. Krieg, Naturkatastrophen und die Angst vor Typhus und Pest bewirkten, dass die verunsicherten Menschen Zuflucht suchten zu finsteren Mächten. So erging es im Freischütz dem Jägersburschen Max, der um die Förstertochter Agathe heiraten zu dürfen, ein Probeschießen zu gewinnen hatte und infolge der Misserfolge, die er in letzter Zeit hatte, sich auf ein Geschäft mit Caspar und dem „schwarzen Jäger“ Samiel einließ. Was in Max dabei vorgegangen ist, führte uns Timothy Richards beeindruckend und mitfühlend mit dem Rezitativ und der Arie „Nein, länger trag ich nicht die Qualen – Durch die Wälder, durch die Auen“ vor.

Unter dem Motto „Wo der Teufel die Tatzen reinsteckt, da fühlt man ihn auch“ erläuterten Intendant Hermann Schneider und Chefdirigent Markus Poschner die Linzer Inszenierung und deren musikalische Umsetzung, angereichert mit Musik von K. Penderecki. Schneider erzählte von seiner Vorliebe für Geistergeschichten, und so rückt bei ihm Samiel als Verkörperung des Unerklärlichen und Geheimnisvollen ins Zentrum einer Welt, in der „Versager“ nicht dazugehören und infolge ihrer Verzweiflung anfällig für das Böse sind.
Das Libretto zur Oper stammt von Johann Friedrich Kind (von Schneider teilweise modifiziert), der wiederum auf eine Volkssage aus dem von Johann August Apel und Friedrich von Laun herausgegebenen „Gespensterbuch“ zurückgriff. Während die ursprüngliche Geschichte mit dem Tod der Braut endet, hat bei Kind die Oper durch das Auftreten des Eremiten ein happy end. „ Ists recht, auf einer Kugel Lauf (Probeschießen) zwei Edler Herzen (Agathe und Max) Glück zu setzen“ fragt der Eremit und läutet einen Bruch mit fragwürdigen Traditionen und damit einen Epochenwechsel ein.
Poschner zeigte auf, wie Ahnen, Schimmern, fröhliches Jägermotiv (C-Dur) und Abgleiten in den Abgrund (verminderter Akkord) schon in der Ouvertüre zu erkennen sind und das ganze Werk prägen. Der Freischütz gilt als deutsche Oper, doch sind auch internationale Einflüsse zu erkennen, italienisch ist die Art des Geigenspieles, französisch die Klangmalerei wie etwa die musikalische Umsetzung von Kirchenglocken, Pferdegetrampel und dergleichen. Deutsch hingegen ist die ästhetische Vermittlung, das Aufzeigen von nicht nur schönen Dingen. Den musikalischen Abschluss des SF gestaltete ausdrucksstark Fenja Lukas mit Romanze, Rezitativ und Arie des Ännchen „Einst träumte meiner sel´gen Base – Du zürntest mir – Trübe Augen“, am Klavier wie zuvor gekonnt begleitet von Benedikt Ofner.
Und viele Vereinsmitglieder folgten freudig der kurzfristigen Einladung des Intendanten zum Besuch der nächsten Bühnen-Orchester-Probe.

Irene Jodl
Fotograf: Fleckenstein / PR