Mit einem interessanten Einstieg begann das SF am 11.12.2022  zu „Dornröschen“, das der Komponist P.I. Tschaikowsky selbst als sein bestes Ballett bezeichnete. Noch vor Einführung in die Leitmotive der aktuellen Produktion präsentierte Tanz Linz zwei Ausschnitte.

Im „Eintritt der Tiere“ vom Beginn des 2. Akts tanzten Elena Sofia Bisci (Wolf) / Lorenzo Ruta (Begleiter), Rutsuki Povrazník (Vogel) / Mischa Hall (Begleiter), Hinako Taira (Frosch) / Pavel Povrazník (Begleiter), Katharina Illnar (Katze) / Pedro Tayette (Begleiter) und Fleur Wijsman (Reh) / Arthur Samuel Sicilia (Begleiter).

Mit Erstaunen und Bewunderung verfolgten die Besucher, wie die Tänzer die teilweise durchaus klassisch anmutenden Figuren trotz schwerer Schnürschuhe mit klobiger Sohle geschmeidig umsetzten, ein überraschender, aber gewollter Bruch.

Prinzessin Aurora (Elisa Lodolini) überraschte ihrerseits, wie man mit HighHeels nicht nur sicher gehen, sondern auch perfekt tanzen kann. Im Duett mit Prinz Desirè (Mischa Hall) verkörperte sie in der 2. Kostprobe überzeugend die Gefühlswelt einer heranreifenden Frau, die Unsicherheit des jungen Mädchens, das die Annäherungen des Prinzen abwehrt und sich doch bereits als Frau zu ihm hingezogen fühlt.

Roma Janus, künstlerische Leiterin der Sparte Tanz, stellte das Kreativteam vor und erörterte im Gespräch deren Herangehensweise zur Produktion.

Die Karriere des in Moskau geborenen, 35 jährigen Gastchoreografen Andrey Kaydanovskiy weist erstaunliche Erfolge auf: 15 Jahre Tänzer an der Wiener Staatsoper, seit 2009 auch als Choreograf tätig, u.a. für Wien, Hamburg und München, sowie vielbeachtete Arbeiten wie die Life Ball Eröffnung 2014 und Einlagen für das Neujahrskonzert 2019 im ORF.

Seine Inszenierung von „Dornröschen“ am Musiktheater prägen 2 Aspekte. Zum einen die im Gegensatz zur Uraufführung 1890 in St.Petersburg eingeschränkten Möglichkeiten in Linz. Am Mariinski Theater wurden 155 Tänzer, davon 55 Solisten aufgeboten, hier stehen 16 Tänzer zur Verfügung. Zum andern ist für ihn das hohe Niveau der klassischen Inszenierungen nicht zu übertreffen, daher beschäftigt er sich intensiv mit jenen Motiven des Märchens, die für heute noch Geltung haben, die Pubertät und die aufkeimende Sexualität.

Marc Reibel, den Besuchern als musikalischer Leiter bei allen bisherigen Tschaikowsky-Balletten am Musiktheater ein Begriff, strich die Besonderheit der verschiedenen anspruchsvollen Miniaturen heraus, die eine Ballettmusik prägen. Die Partitur wurde gekürzt, teilweise die Reihenfolge geändert und bekommt mit dem Sound von Angel Vassilev eine zusätzliche Dimension. Der elektronische Sound, dessen Konzept eng mit dem Choreografen erarbeitet wurde, zielt auf bewussten Kontrast.

Karoline Hogl spielt in ihrem Bühnenbild mit gegensätzlichen Begriffen, wie innen/außen, Enge/Weite, Ausgesetztheit /Geborgenheit.

Die Kostüme von Melanie Jane Frost sollen schrille Partystimmung auf die Bühne bringen, angelehnt an die Sixties werden in einem „overkill“ an rosa die Charaktere, zwar mit Augenzwinkern, aber dennoch kritisch entlarvt. Ein großes Kompliment richtete sie an die Damen- und Herrenschneiderei des LT, die ihre Entwürfe genau nach ihren Vorstellungen umsetzte!

Lichtdesigner Christian Kass erläuterte den Stellenwert des Lichts als Medium zur Schaffung von fiktiven Räumen und Unterstützung von Stimmungen.
Roma Janus lud die Besucher ein, Fragen zu stellen und sie erfuhren noch weitere Details:
Kaydanovskiy kam im Gegensatz zu den vorherigen Gastchoreografen mit einer vorbereiteten und weitgehend fertigen Choreografie nach Linz, die Mischung aus klassischer Musik und elektronischem Sound stellt zwar einen Bruch dar, soll aber zu einer Symbiose verschmelzen, die Kostümdesignerin hatte bei ihren Entwürfen volle Freiheit, nur die Bewegungen der Tänzer durften nicht eingeschränkt werden, die Aufführungsdauer wird 105 min betragen.
Auf die Frage einer mutigen jungen Besucherin, ob das nun eine moderne oder altmodische Aufführung werde, meinte Andrey Kaydanovskiy: „Für dich wahrscheinlich schon wieder altmodisch“.

Wie die Aufführung auf Sie wirkt, können Sie nur feststellen, wenn Sie eine der Vorstellungen besuchen und sich offen darauf einlassen!
Ulrike Skopec-Basta
Fotograf: Fleckenstein