Im November dieses Jahres gelangt mit Georg Friedrich Händels „Rinaldo“ erstmals eine Barockoper auf die große Bühne des Linzer Musiktheaters. Mehr über die Besonderheiten dieses Werkes und seine Aufführung präsentierte uns Christoph Blitt als Moderator im Gespräch mit Jens-Daniel Herzog (Inszenierung) und Ingmar Beck (musikalische Leitung) beim SF am 30.10.2022.
Das Libretto von „Rinaldo“ geht auf das Epos „Das befreite Jerusalem“ von Torquato Tasso zurück. Historischer Hintergrund war der Erste Kreuzzug mit Goffredo von Bouillon – neben Händels Titelfigur Rinaldo – als Haupthelden. Zur Erläuterung beleuchtete Christoph Blitt anhand einer liebevoll zusammengestellten und unterhaltsamen Powerpoint-Präsentation die Handlung: Die beiden gegnerischen Seiten und ihre Auseinandersetzung, auf der einen Seite die Christen mit Goffredo von Bouillon, seinem Bruder Eustazio und die in Rinaldo verliebte Almirena, auf der anderen Seite die Sarazenen mit König Argante und seiner Geliebten, der Zauberin Armida. Armida entführt Almirena und versucht, Rinaldo zu verführen und für sie zu gewinnen, doch gelingt ihr dies letzten Endes trotz vieler Versuche nicht. In „Rinaldo“, das zur Zeit der Gegenreformation entstanden ist, geht es nicht nur um eine religiöse Auseinandersetzung, sondern auch um Ent- und Verführung und somit um eine tiefe erotische Beziehung. Christen und Sarazenen beschließen zwar einen Waffenstillstand, doch wird der Kampf währenddessen hinter den Kulissen auf psychologischer Ebene weitergeführt mit dem Bemühen, die Schwächen des Gegners auszunutzen.
Händel ist bei seiner kompositorischen Tätigkeit sehr genau und minutiös vorgegangen, hat wiederholt Änderungen vorgenommen, Stimmlagen gewechselt, Pausen umgestaltet und teilweise bereits vorhandene Musikstücke von ihm wieder verwendet. An dem Lied „Lascia ch´io pianga“, dessen Melodie wir bereits unter anderem aus „Il Trionfo“ kennen, hat er mehr als 20 Jahre gearbeitet. Ähnlich wie bei Bruckners Sinfonien gibt es auch bei Händels „Rinaldo“ nicht DIE Fassung, was Freiheiten bei der musikalischen und dramaturgischen Umsetzung gewährt. Alleine dadurch, dass bei der Uraufführung zwei Kastraten mitgewirkt haben, erhalten musikalischer Leiter und Regisseur einen großen Gestaltungsspielraum. Man hört zwar die gleiche Musik, aber anders. Eustazio (Goffredos Bruder) wird in Linz vom Countertenor Alois Mühlbacher gesungen. Der christliche Held Rinaldo ist mit dem neuen Ensemblemitglied Angela Simkin eine weibliche Kampfmaschine. In der Linzer Aufführung verwendet das BOL keine Barockinstrumente, doch wird durch die Kombination verschiedener Musikinstrumente, deren Zusammenspiel und Lautstärke ein sehr lebendiger und facettenreicher Klang erzeugt.
Die musikalischen Kostproben wurden uns diesmal serviert von Adam Kim und Ilona Revolskaya (Duett Armida /Argante „Al trionfo del nostro furore“), Fenja Lukas (Arie der Almirena „Lascia ch’io pianga“) und Angela Simkin (Arie des Rinaldo „Venti, turbini“) am Klavier begleitet von Korrepetitorin Eunjung Lee. Die Besucher dankten mit begeistertem Applaus.
Irene Jodl
Fotograf: Fleckenstein