Ungarische Csárdásklänge und Wiener Walzer, melancholisches Sehnen nach der guten alten Zeit und fröhliche Ausgelassenheit – all das findet sich in der Operette Gräfin Mariza von Emmerich Kalman und wurde beim SF am 9.10. von Musiktheaterdramaturg Christoph Blitt und seinen Gästen Thomas Enzinger (Inszenierung) und Evamaria Mayer (Choreografie) ausführlich erläutert.
Emmerich Kálmán wurde am 24. Oktober 1882 in Siófok als Koppstein Imre geboren, änderte aber später aus nicht exakt geklärten Gründen seinen Namen in Kálmán. Nach der erfolgreichen Aufführung seiner ersten Operette Tatárjárás übersiedelte er nach Wien und wurde insbesondere mit der Csárdásfürstin und Gräfin Mariza zu einem der erfolgreichsten Operettenkomponisten. Er war mit der Schauspielerin Vera Makinskaya zwei Mal verheiratet, sie kehrte nach einer kurzen Trennung ein Jahr später wieder zu ihm zurück. Wegen seiner jüdischen Herkunft emigrierte Kálmán in die Vereinigten Staaten und nahm die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Nach einer kurzen Rückkehr nach Wien nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges starb er am 30. Oktober 1953 in Paris.
Gräfin Mariza ist geprägt von zwei Handlungssträngen, dem ersten rund um die reiche und unverheiratete Titelheldin, der zweite rund um den verarmten, aber stolzen Tassilo, der sich aus finanziellen Gründen bei der Gräfin als einfacher Verwalter verdingt. Beide Handlungsstränge werden letztlich miteinander zu einem happy end verbunden.
Wir hörten die musikalischen Schmankerln „Hör ich Zigeunergeigen“ (Auftrittslied der Mariza, ausdrucksvoll gesungen vom neuen Ensemblemitglied Carina Tybjerg Madsen) und dem Lied des Tassilo „Auch ich war einst ein feiner Csárdáskavalier“ (einfühlsam dargeboten von Publikumsliebling 2021/22 Matjaž Stopinšek) – begleitet von Korrepetitor Benedikt Ofner am Klavier. Die Gesprächsteilnehmer stellten einvernehmlich fest, dass – auch angesichts der Vorkommnisse im Zweiten Weltkrieg – der laut Libretto enthaltene Begriff „Zigeuner“ beibehalten, aber eine Respekt bewahrende Haltung dieser Bevölkerungsgruppe gegenüber gezeigt werden soll.
Die aktuelle Produktion spielt nach dem Ersten Weltkrieg, etwa Ende der 20iger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, also in einer Zeit, als der Adel aufgelöst wurde, in der Folge verarmte und sich eine die „alte Welt“ herbeisehnende Übergangsstimmung bemerkbar machte. Trotz dieser oft eher melancholischen Stimmung sind Kálmáns Figuren starke Persönlichkeiten, die Kanten zeigen, im Verlaufe des Stückes dazu lernen und wachsen. Insgesamt zeigt das Werk wie die meisten Operetten eine satirische, mitunter bissige Seite, bei der Zeitkritik nicht zu kurz kommt.
Dem Tanz kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Er ist nicht etwa bloßes Beiwerk, sondern ein vorantreibender Teil der Geschichte.
Anhand von Bildern wurden uns auch interessante Einblicke auf Bühnenbild und Kostüme der Linzer Inszenierung vermittelt. Den schwungvollen musikalischen Abschluss bildete das Duett „Herrgott, was ist denn heute los – einmal möcht´ ich wieder tanzen“. Das denken wir uns in diesen Tagen auch des Öfteren und freuen uns auf die Produktion.
Irene Jodl
Fotograf: Fleckenstein