Unabhängigkeit und künstlerische Selbständigkeit wünschte sich Wolfgang Amadé Mozart, als er 1781 nach heftiger Auseinandersetzung mit dem Salzburger Erzbischof und einem Fußtritt von Graf Arco seinen Dienst in Salzburg aufkündigte und sich in Wien als „freischaffender Künstler“ niederließ. Bald darauf, am 16.7.1782 wurde im Wiener Burgtheater das von Kaiser Josef II. als Gegenstück zur italienischen Hofoper in Auftrag gegebene Singspiel „Die Entführung aus dem Serail“ uraufgeführt. Dieses Werk, das in mehrfacher Hinsicht als Stück der Aufklärung bezeichnet werden kann, war Gegenstand des 64. SF am 3.11.2019, bei dem Moderatorin und Musiktheaterdramaturgin Katharina John eine spannende Einführung zur Linzer Inszenierung präsentierte.
Ihre Gesprächspartner waren die musikalische Leiterin Katharina Müllner, Regisseur François De Carpentries und Karine Van Hercke, die für Bühnenbild und Kostüme verantwortlich zeichnet. Als Sänger überzeugten Michael Wagner als Osmin, Rafael Helbig-Kostka als Pedrillo und Johannes Strauß als Belmonte, am Klavier begleitet von Katharina Müllner. Mit den packend vorgetragenen Musikstücken „Oh wie ängstlich“, „Frisch zum Kampfe“, „Oh wie will ich triumphieren“, „Vivat Bacchus“ und „Marsch, marsch, marsch, trollt Euch fort“ bekamen wir schon einen ersten eindrucksvollen musikalischen Vorgeschmack.
Thema der „Entführung aus dem Serail“ ist der Verkauf von Christinnen und deren Verschleppung in die Serails türkischer Würdenträger, wo sie als Sexsklavinnen dienen sollten. So erging es auch Konstanze, einer jungen Spanierin, die gemeinsam mit ihrer englischen Zofe Blonde und dem Freund und Diener Pedrillo von Seeräubern überfallen und an Bassa Selim verkauft wurde. Während Selim um Konstanze buhlte, sollte Blonde die Geliebte des bei ihm in Diensten stehenden Osmin werden. Doch beide Frauen wehrten sich hartnäckig. Als Konstanzes Verlobter Belmonte von deren Aufenthaltsort erfuhr, machte er sich sofort auf den Weg zum Serail und plante die Befreiung der drei Gefangenen. Doch der Versuch schlug fehl. Bassa Selim erkannte in Belmonte sogar den Sohn seines Erzfeindes, allerdings statt der von Osmin erwarteten Hinrichtung entließ Bassa Selim alle drei in die Freiheit.
Katharina Müllner erläuterte am Klavier Mozarts Komposition und deren Orchestrierung, bei der es zwar Anklänge an „türkische Musik“ gibt, „exotische Momente“ aber eher spärlich zu finden sind. Auch François De Carpentries und Karine Van Hercke betonten, dass bei der Linzer Inszenierung nicht primär der Gegensatz von türkischem und europäischem Wertesystem dargestellt werden soll, sondern inspiriert von großen Entdeckerinnen des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts versetzen sie das Stück in eine Zeit des Um- und Aufschwungs, in der es mutigen, selbstbewussten und starken Frauen gelingt, sich trotz gesellschaftlicher Zwänge zu emanzipieren, und letztlich im humanistischen Sinne Gnade, Liebe und Freiheit siegen.
Irene Jodl
Fotos: Manfred Fleckenstein