Mit „Unter dem Gletscher“ steht wieder eine Uraufführung auf dem Programm des Linzer Musiktheaters. Moderatorin Katharina John (Dramaturgie) erläuterte beim SF am 8. Mai 2022 mit Hermann Schneider (Intendant, Librettist und Regisseur), Michael Obst (Komponist), Ingmar Beck (musikalische Leitung) und Falko Herold (Bühne, Kostüme und Videodesign) das Auftragswerk des Linzer Landestheaters.
Das Libretto entstand nach dem Roman „Am Gletscher“ von Halldór Laxness. Der 1902 als Halldór Gudjonsson geborene isländische Schriftsteller und Nobelpreisträger befasste sich sein ganzes Leben lang mit der Frage, welcher Ideologie man folgen solle. Ursprünglich Lutheraner, konvertierte er zum Katholizismus und schloss sich später dem Kommunismus an. Der Name Laxness ist die Bezeichnung des bei Mosfellsbaer gelegenen Hofes, auf dem er aufgewachsen ist.
Vebi, ein – wie die Abkürzung schon andeutet – Vertreter des Bischofs, wurde von der geistlichen Obrigkeit in ein kleines Dorf unterhalb eines Gletschers geschickt, weil der Verdacht bestand, dass der dort amtierende Pfarrer seine Pflichten gröblich vernachlässige. Tatsächlich war die Kirche geschlossen, es gab keine Gottesdienste, aber keiner der dort lebenden Männer und Frauen war unzufrieden, denn der Pfarrer verfügte über handwerkliche Fähigkeiten. Vebi wurde in eine Reihe ungewöhnlicher Ereignisse hineingezogen. Ein bizarrer Professor hatte einst einen Holzkasten auf den Gletscher bringen lassen. Als dieser geöffnet wurde, entdeckte man einen tiefgefrorenen Lachs. In der Folge erschien Ua, bei der es sich offenbar um die verschollene Pfarrersfrau handelte.
Hermann Schneider hat sich mit diesem Roman schon vor 30 Jahren beschäftigt. Nach einer Literaturverfilmung des Romans wurde bei ihm der Ruf nach einem Musiktheater laut. Ohne die Klimakatastrophe selbst zum Thema machen zu wollen, geht es um die Frage nach dem „Zerrinnen“ der Welt im Sinne einer Wandlung von Religion, Spiritualität und Glaube in einem an einem Gletscher gelegenen Dorf, das sowohl von der Gewalt als auch der spirituellen Kraft dieser Landschaft geprägt wird. Statt der Institution Kirche, statt der „American Way Of Life“-Vorstellung und der „Forever Young“-Bewegung, die an Glaubwürdigkeit eingebüßt und an ihren Grenzen angelangt sind, stoßen wir beim Gletscher auf gelebte Nächstenliebe.
Michael Obst erläuterte seine Nummernoper in kompositorischer Hinsicht und Ingmar Beck ging auf die musikalische Umsetzung ein. Das Konglomerat aus unterschiedlichen Charakteren und Philosophien forderte auch bei der musikalischen Umsetzung Vielseitigkeit, einen Mix aus unterschiedlichen Stilen, wie etwa Rockmusik, Jazzelementen und Volksliedern, die in der isländischen Kultur reichlich vorhanden sind. Entsprechend der finalen Wirkung des Textes von Hermann Schneider erwarten uns lange crescendi mit musikalischen Explosionen zum Schluss. Auch ein a cappella Trio wird zu hören sein. Neben den spannungsgeladenen Elementen wird Humor durch eine Mischung aus Ernsthaftigkeit in Verbindung mit Skurrilität und Verrücktheiten vermittelt. Falko Herold gab uns abschließend noch einen Einblick in die Linzer Inszenierung. Für die musikalische Umrahmung des SF zeichneten Anna Alàs i Jové, Gotho Griesmeier und Hans Schöpflin, am Klavier begleitet von Laura de Arenzana, verantwortlich. Wir hörten Nr.7 – Monolog Vebi, Nr.33 – Arie Syngman und Vebi und Nr. 45 Arietta Vebi und Ua.

Irene Jodl
Fotograf: Fleckenstein