Höhepunkte der Reise waren der Opernbesuch von La Traviata im Teatro Verdi Trieste und die Begegnung mit Maestro Enrico Calesso, Gastdirigent fürs italienische Fach in Linz, nach der Aufführung unter seinem Dirigat der konventionell inszenierten Verdi-Oper!

Der Bus mit den Linzer Musiktheaterfreunden näherte sich dem Ziel unserer Drei-Tages-Reise, als die Sonne malerisch unterging und sich das Meer unseren Blicken öffnete. Beim Aussteigen aus dem Bus und am Weg ins Hotel im Zentrum der Stadt begrüßte uns die Bora mit den für Triest charakteristischen Windböen. Unsere Reiseleiterin Christiane Reuss des Reisebüros Neubauer hatte uns während der Fahrt, die uns über Slowenien führte, schon einiges erzählt über die einst habsburgische Zugehörigkeit der heute italienischen Stadt, über Giuseppe Verdi und über seine Oper La Traviata, die wir am zweiten Reisetag im Teatro Verdi, diesem 200 Jahre alten Logentheater, besuchen würden.

Am strahlend schönen Morgen des 15. November bei den ersten Besichtigungsschritten mit unserem Stadtführer Pietro hatte man sich fast nach Österreich zurückversetzt gefühlt, so sehr ähnelten die prunkvollen Bauwerke im klassizistischen Stil und im Stil des Historismus dem Wien der Habsburger mit seiner Ringstraßenarchitektur. Am Canale Grande di Trieste angelangt, besuchten wir die serbisch orthodoxe Kirche San Spiridione, die Stadtführer Pietro Anlass dazu gab, die Identitäten der Stadt hervorzukehren. Viele unserer Mitreisenden wussten, zum Erstaunen von Pietro, was eine Ikonostase ist. Ja, das Niveau der Musiktheaterfreude ist nicht nur auf Opern-Kenntnisse beschränkt!

Ein paar weitere Anmerkungen zum Stadtrundgang! Was wahrscheinlich vielen von uns erst bei diesem Triest-Besuch zu Bewusstsein kam: politisch gehört Triest zu Friaul-Julisch Venetien, bzw. zu Friuli Venezia Giulia. Das Friaul hat eine gänzlich andere Geschichte; in Triest sollte man lieber nicht im Lokal nach friaulischen Gerichten und Vino friulano fragen. Schon eher nach slowenischer Kost, bzw. nach wienerisch anmutenden Jugendstil-Kaffeehäusern! Reiseleiterin Christiane hatte uns schon auf Besonderheiten beim Bestellen von Kaffee aufmerksam gemacht: der Espresso heißt Nero und eine Variante des Cappuccino ist der Capubi(cchiere).

Wir waren am Piazza dell‘Unità d’Italia und am Colle di San Giusto bei der mehrschiffigen Kathedrale mit Mosaiken aus früher Zeit. Wir genossen ein gutes Mittagessen nahe am römischen, erst zu Mussolinis Zeiten ausgegrabenem Theater – die Altstadt hat dem Größenwahn des Führers weichen müssen! Der Nachmittag war „frei“; in der Sonne auf einem der Poller einer Mole im Hafen zu sitzen, war eine Option! Triests Hafen hat nach einem Dornröschenschlaf während des Ost-West-Konfliktes wieder an Bedeutung gewonnen. Wie überhaupt die Isolation der Stadt Triest überwunden ist – der Nachbarstaat Slowenien ist ja nun auch bei der EU.

„Triests La Traviata eröffnet mit Glamour und gewagten Wendungen“ titelte eine Triestiner Zeitung den Saisonbeginn der städtischen Theatersaison. Wir besuchten die vierte Vorstellung der Neueinstudierung. Maestro Calesso war am Pult, hervorragende sängerische Leistungen (Erstbesetzung) erbrachten Maria Grazia Schiavo als Violetta, Antonio Poli als Alfred Germot sowie auch, darstellerisch überzeugend, Roberto Poli als Vater Giorgio Germot. Wie wir erfuhren, stand Roberto Poli schon 1984 auf der Bühne des 200 Jahre alten Teatro Verdi Trieste mit Stagione-Betrieb (Orchester, Chor und Technik sind hauseigen), das, obwohl im Lauf der Jahre mehrfach renoviert, nichts von seiner imperialen Ausstrahlung verloren hat – edel die klassizistische Fassade des Baus, prachtvoll ausgeschmückt der Innenraum des Logentheaters mit seinen fünf Rängen.

Der oben zitierte Kritiker einer Triestiner Zeitung hebt „zeitlose Eleganz“ hervor, wohl der schönen Kostüme wegen, steht aber der Regie des „französischen Visionärs Arnauld Bernard“ skeptisch gegenüber, mit „unerwarteten Schnörkeln, leidenschaftlichen Umarmungen bis hin zu einer modernisierten Partyszene“ seien Geschmacksgrenzen überschritten. Immerhin attestiert der Kritiker der Inszenierung frischen innovativen Geist! Die Musiktheaterfreunde, in Kenntnis der Kritik, waren einhellig der Auffassung, dass sie eine solide, erfreulich in der Zeit bleibende Inszenierung erlebt hatten! Maestro Calesso, der gewagte Regie-Arbeiten anderer europäischer Länder kennt, erwähnte bei seinem Besuch nach der Vorstellung im Hotel, dass sogar die Chorszenen bei den „Festen“ der Oper für die Kritiker ein Zuviel an Bewegtheit hatten. Informativ waren Calessos Informationen auch zu den Vorzügen eines Stagione-Theaters. Gerade bei La Traviata würden die extremen Ansprüche an die Durchhaltekraft die SängerInnen vor große Herausforderungen stellen.

Auf der Rückfahrt am 16.11. Richtung österreichische Grenze übers Kanaltal war noch Zeit, das Schloss Duino, malerisch auf einer ins Meer ragenden Landspitze errichtet, zu besuchen. Wenn schon nicht das Schloss, so sind doch die Duineser Elegien von Rainer Maria Rilke – was den Titel betrifft – Bildungsgut.

Pietro, der uns auch in Duino noch zur Verfügung stand, wusste: dem derzeitigen Besitzer des Schlosses Prinz Carlo della Torre e Tasso gelang es nicht, das Schloss zu verkaufen. Also sollte es als Veranstaltungsort und Museum genützt werden. Originales Mobiliar fehlt in den Räumen des Schlosses, es ist allerdings mit passenden Versatzstücken schön eingerichtet. Schwerpunkt liegt auf Information zu Genealogien derer von Thurn und Taxis (so nennt sich der deutsche Zweig der Adelsfamilie) und zu der längst erloschenen Herrschaft der Patriarchen von Aquilea. Aushängende Zeitungsausschnitte in verschiedenen Sprachen beleuchten die mehrfach wechselnde politische Situation der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts des Friaul und von Triest. Nach einem Blick hinab zur alten Burg Duino, auf einem Felssporn im Meer thronend, traten wir in unserem Bus die Heimreise an. Wir fuhren vom Karst des schmalen italienischen Küstenstreifens – das Hinterland mit seinen Buschenschanken ist von Triest bis etwa Duino slowenisch – hinein ins Friaulische und somit der Heimat entgegen.
HEIDE STOCKINGER

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