Texte und Lieder der Komponistin und engagierten Humanistin Hedda Wagner, die lang vergessen waren.

Das im Gewölbesaal des Ursulinenhofs von den Freunden des Linzer Musiktheaters veranstaltete Konzert geriet zur Hommage an eine Linzer Künstlerin mit umfassendem genre-übergreifendem Werk. Nina Altmüller, Autorin und Verlegerin, die durch den Abend führte, entdeckte im Jahr 2000 Hedda Wagners Nachlass im Archiv der Stadt Linz. Die wissenschaftliche Ausbeute fand Eingang in die 2005 von ihr verfasste Monografie der „Komponistin, Schriftstellerin und Frauenrechtlerin“.
Eine Lücke sei gefüllt mit dem Abend für die Künstlerin Hedda Wagner, so Peter Rieder bei seiner Eröffnungsansprache. „Im Brucknerhaus wurden zum Saisonauftakt die Werke von Komponistinnen gespielt. Wir leisten heute dazu einen kleinen, aber wichtigen Beitrag mit der Aufführung von zehn von Hedda Wagners unveröffentlichten Liedern, gesungen von Veronika Grabner, am Klavier begleitet von Judit Szabo.“
Das zahlreich erschienene Publikum konnte auch gleich zu Beginn der Veranstaltung erfahren, dass sich zwei Zeitzeugen der 1876 geborenen und 1950 verstorbenen Künstlerin gemeldet hätten, Dr. Gottfried Schwarz (wie Hedda Wagner wohnhaft in der Starhembergstraße) und der am Abend anwesende Dr. Franz Lettner, der bei Hedda Wagner Klavierunterricht genossen hatte und sie „Tante Hedda“ nennen durfte.
Mit dem Lied „Blauschimmernde Tage (…) So ist der Frühling! So hab ich`s geträumt in kurzen Wintertagen“ aus dem Jahr 1902 setzten die Sängerin und Pianistin einen programmatischen Auftakt. Viele dargebotene Lieder haben diese Mischung aus Zuversicht und Wehmut, stehen in spätromantischer Tradition, haben einen anspruchsvollen Klavierpart und Sprünge in der Gesanglinie, hin zu kleinen dramatischen Höhepunkten. Hedda Wagner hatte 1896 als Frau (!) am Wiener Konservatorium die Staatsprüfung in Komposition und Klavier mit Auszeichnung abgeschlossen.
Nina Altmüller am Lesepult verriet, was wir hören würden, teils persönliche Lieder, teils politische Agitationslieder, mit Texten aus Wagners Feder. Am Bildschirm hinterm Pult künstlerisch anmutende Bilder von Wohnräumen der Komponistin, die sich heute in verlassenem und desolatem Zustand präsentieren, samt ausgeräumten Flügel.
Die „Agitationslieder“, so Nina Altmüller, entstanden, als sich die in einem bürgerlichen Haus aufgewachsene Hedda Wagner der Sozialdemokratie zugewandt hatte. Hat sie doch die Zeit der Umbrüche, das Ende der Monarchie bis hin zu Ständestaat, NS-Zeit und Zweitem Weltkrieg erlebt, und das Leid der Menschen durch die damit verbundenen gesellschaftlichen Veränderungen. Zwei der Lieder, „Freiheit“ (1925) und das „Maifeierlied“ (1929), haben diese Aufbruchsstimmung, den Glauben an eine bessere Zukunft. Das Lied mit „persönlichem“ Text „Der Tod das ist die kühle Nacht (1918)“ widerspiegelt ihre Gemütslage nach dem Ersten Weltkrieg, „Rosen vor deinem Bilde“ (1930) die Trauer über den Tod ihrer Mutter im Jahr 1926.
Hedda Wagners politische Gesinnung, die sie unter widrigen Umständen beibehielt im Ständestaat und während der Zeit des Nationalsozialismus, der Schuss „Rebellion“, der sie auszeichnete, scheint im Widerspruch zu stehen zu ihrer feinen Handschrift. Die Sängerin und Pianistin hatten Mühe, Hedda Wagners Notenniederschriften zu entziffern – gedruckte Noten gibt es bisher nicht. Eine bewundernswerte Leistung der beiden Künstlerinnen!
Die hochgebildete, vielseitige, mehrere Sprachen sprechende Hedda Wagner, Vorreiterin der Emanzipation und Wissensvermittlerin konnte, wie uns Nina Altmüller schilderte, keine Laufbahn als Pianistin antreten, also komponierte sie ua. Lieder, Kammermusik und Opern, schrieb Gedichte und journalistische Texte. Wie ist wohl der heitere Grundton des letzten vorgetragenen Liedes „Schöner Schatz ich muss scheiden“ (1949) zu deuten?

Heide Stockinger
Fotografin: Ulrike Skopec-Basta

Fotos Hedda Wagner