15. bis 18. Februar 2023

Zwei herausragende Opernabende im Staatstheater Wiesbaden, einem Fünf-Sparten-Haus, konnten 38 Musiktheaterfreunde auf „Orchestersesseln“ (ident mit „Parkett“) bequem sitzend genießen. 

Die starke Emotionen auslösende Musik in Anton Dvořáks Oper „Rusalka“ und Peter Tschaikowskis (Schreibweise im Programmheft) Oper „Pique“ Dame brachte uns Opernbesuchern tragische Schicksale nah – die Wassernixe Rusalka bezahlt ihre Sehnsucht nach einer menschlichen Seele mit dem Tod, und in „Pique Dame“ (Libretto nach Puschkin) führt Hermanns Spielsucht ihn und auch seine Geliebte Lisa ins Verderben. Zeitgleich mit den Opernaufführungen rüsteten sich die Bewohner der von uns besichtigten Städte Wiesbaden und Mainz für die Fastnacht mit ihren Umzügen. Wir faken, was wir können – so charakterisierte die Wiesbadener Stadtführerin Brigitte Gellner-Tarnow ihre Landsleute.

Was meinte die Stadtführerin? In der Bäderstadt Wiesbaden (15 Thermal- und Mineralquellen), der Hauptstadt von Hessen, legen das Hessische Staatstheater, ein neobarocker Bau der Architekten Ferdinand Fellner d. J. und Hermann Helmer mit prachtvoller Innenausstattung, ebenso Zeugnis ab von Glanz und Glorie des wilhelminischen Kaiserreichs, wie die luxuriös ausgestatteten Räume des erst 1907 fertiggestellten Kurhauses und die herrschaftlichen Bauten des Historismus entlang der Alleen, die dereinst Hotels gewesen waren. Und nun, hundert Jahre nach dem Ersten Weltkrieg, sind die Gebäude-Kulissen für den Tourismus herausgeputzt.

Ganz anders als Wiesbaden, so die StadtführerInnen in Mainz, sei ihre geschichtsträchtige Stadt, die Hauptstadt von Rheinland-Pfalz, obwohl diese ja nur durch den Rhein getrennt sei von Hessens Hauptstadt. Die Römer hinterließen mehr Spuren als in Wiesbaden, das Mittelalter mit seinen Fachwerkhäusern (teilweise nach Kriegsschäden wieder aufgebaut) wird erlebbar. Das erzbischöfliche Palais erinnert an die Kurfürstenregelung; dem Erzbischof von Mainz oblag es, gemeinsam mit 6 weiteren geistlichen und weltlichen Kurfürsten, den Herrscher über das Heilige Römische Reich Deutscher Nation zu küren. Einige „Freunde“ besichtigten auf eigene Faust sowohl die 9 berühmten Fenster von Marc Chagall in der Pfarrei St. Stephan (fertiggestellt 1978), als auch das Gutenberg-Museum mit seinen Erinnerungsstücken an den Mann, der das Leben der Menschen verändert und bereichert hat wie kaum ein anderer. Die Buchdruckerkunst mit beweglichen Lettern erfährt in jüngster Zeit durch digitale Techniken eine mediale Erweiterung.

Die Videoeinspielungen von Wasserwelten in der ausgezeichneten Inszenierung von „Rusalka“ (durch Olesya Golovneva und Daniela Kerck) erwiesen sich bei der Aufführung von Dvořáks Oper, die wir am Donnerstag besuchten, als ideale Bühnenbild-Ergänzung. Die darstellerische und gesangliche Leistung von Katrin Wundsam sowohl als „Hexe“ als auch als „Die fremde Fürstin“ erinnerte uns an ihre Auftritte in Linz 2007-09. Wie das praktikable Bühnenbild für das lyrische Märchen in 3 Akten hergestellt worden ist, davon konnten sich die Musiktheaterfreunde backstage überzeugen; schon Donnerstag vormittags waren die Musiktheaterfreunde in zwei Gruppen durch die Theaterwerkstätten geführt worden. Meine Person war der Leiterin der Maler-Werkstätte Veronika Moos zugeteilt, die schon jahrzehntelang am Staatstheater Wiesbaden Bühnenprospekte für den schönen Schein herstellt. Sie führte kundig durch die „Gewerke“, die Montagehalle, Schreinerei, Schlosserei, Malerei. Besonderes Aufsehen erregte ein Walfisch aus Stahlgerüst mit Styropor ummantelt, der einen ganzen Raum ausfüllt.

Die backstage-Führung treppauf treppab weckte bei mir Recherche-Erinnerungen in Verbindung mit „unserem“ Richard Tauber. Der Vater gleichen Namens holte 1903 den 12-jährigen Richard zu sich nach Wiesbaden, weil er hier ein fixes Engagement als Schauspieler am Neuen Königlichen Hoftheater, wie das Staatstheater damals hieß, bekommen hatte. Den dekorativ ausgestalteten Foyeranbau (fertiggestellt 1902), das heutige Pausenfoyer, kannten also die Taubers schon! Ob allerdings Kaiser Wilhelm II. jemals die eigens für ihn gebaute Kutscheneinfahrt ins Theater noch benutzt hat, ist nicht überliefert. Der unscheinbare Eingang fürs Publikum führte aber wahrscheinlich so wie auch heute noch von der Mitte der Theaterkolonnaden (des langen Säulenganges) ins Innere des Theaters. Kurios, aber wahr („wir faken“): die attraktive Vorderseite des Theaters ist ohne Funktion, die „Schauseite“ ist nur vom grünen Rasen aus zu sehen, der den Abschluss der Parkanlage „Warmer Damm“ (die heißen Quellen!) bildet.

Die Regie für die Oper „Pique Dame“ liegt in den Händen des Wiesbadener Intendanten Uwe Eric Laufenberg, der im Musiktheater den „Ring des Nibelungen“ in Linz inszeniert hat. Als die Musiktheaterfreunde vor der Vorstellung am Freitag bei einem Glas Sekt im Weißen Salon saßen, lernten wir den Vorsitzenden der Theaterfreunde Wiesbaden Helmut Nehrbaß und seine Stellvertreterin Katharina Queck kennen und es beehrte uns Intendant Laufenberg trotz vollen Terminkalenders mit seiner Anwesenheit! Seine Handschrift als Regisseur war dann bei der Aufführung zu erkennen; die Vielzahl an Personen, die oftmals die Bühne bevölkerte, folgten choreografischen Prinzipien. Die Hauptpersonen Hermann, Lisa und die dämonische Gräfin Pique Dame erbrachten nicht nur hervorragende Gesangsleistungen, sondern überzeugten auch durch ihr Spiel. Unter die Haut gehendes, aufwändiges Musiktheater!

Die zügige Rückfahrt nach Linz am Samstag gestaltete sich nach Programm. Außer Programm war der Abstecher ins Zentrum von Nürnberg bei der Hinfahrt am Mittwoch, weil wir gut in der Zeit lagen. Der Fahrer unseres Busses hatte uns mit der erfreulichen Reiseprogramm-Erweiterung überrascht! Einen flüchtigen Eindruck von der „Meistersinger“-Stadt Nürnberg hatten wir dadurch gewinnen können … Wagners Oper demnächst an unserem Theater!

HEIDE STOCKINGER
Fotos: Ulrike Skopec-Basta, Irene Jodl, PR