12. bis 14. Mai 2022
Die Freunde des Linzer Musiktheaters behalten KünstlerInnen im Auge, deren Karriere in Linz begonnen hat, beziehungsweise die im Verlauf ihrer Karriere am Linzer Landestheater engagiert waren. Letzteres trifft auf die Altistin Christa Ratzenböck zu. Sie bekleidet auch als Obmann-Stellvertreterin eine Funktion im Vereinsvorstand der „Freunde“. Die Musiktheaterreisenden, 38 an der Zahl, konnten die Sängerin am 12. Mai als DOLLY TATE in Klagenfurt erleben; neben der titelgebenden hatte sie die zweite große Frauenrolle in dem Musical „Annie Get Your Gun“ von Irving Berlin inne. Das Ballett „Undine“ mit Musik von Hans Werner Henze an der Oper Graz am 13. Mai hatte keinen erkennbaren Bezugspunkt zum Linzer Musiktheater, außer vielleicht das Bieten einer Vergleichsmöglichkeit für unsere Linzer Ballettliebhaber.

Nach der Busfahrt Richtung Graz erreichte die Reisegesellschaft um die Mittagszeit Klagenfurt. Gesättigt standen die Reiseteilnehmer pünktlich parat zur Stadtführung am frühen Nachmittag, bei frühsommerlichen Temperaturen. Die ausgezeichnete Stadtführerin wählte eine Runde, die einige Sehenswürdigkeiten und deren historische Bedeutung der im Schachbrettmuster nach einem Großbrand im Mittelalter wiedererbauten Stadt umfasste. Natürlich führte sie uns auch am „Lindwurm“ vorbei und peilte als letztes Ziel die Stadtpfarrkirche St. Egid an. Was da auf uns zukommen würde, wussten wohl nur wenige von uns. Es ist erst ein paar Jahre her, dass ein Kunstwerk von unglaublicher thematischer Vielfalt in der heute so genannten „Fuchskapelle“ vollendet war. Beim Betreten der Kapelle ein Aha-Erlebnis der besonderen Art: der Raum ist bis in den letzten Winkel bunt ausgemalt. Die biblische Schöpfungsgeschichte bis hin zur christlichen Heilslehre präsentiert sich in der Kapelle in verführerischer Farbigkeit, und nicht nur das, auch die Gegenwart und besorgniserregende Zukunft fängt der Maler des phantastischen Realismus Ernst Fuchs mit symbolträchtigen Details ein.

Klagenfurt: „There’s No Business Like Show Business“
Frühabends neuerlich ein Aha-Erlebnis für viele von uns beim Anblick des im Empirestil erbauten Klagenfurter JVBILÄVMS STADT THEATER, das, auf erhöhtem Gelände thronend, mich an Bayreuth erinnerte.
Ein kleines Theater mit nur 716 Sitzplätzen, immerhin ein „Mehr-Spartenhaus“, aber mit reduziertem eigenem Ensemble! Die mit Jugendstilelementen versehene Innenausstattung des nach Plänen des Wiener Architektenduos Fellner & Helmer erbauten Hauses verströmt Intimität. Die von uns besuchte Aufführung des Musicals Annie Get Your Gun mit einfachem Bühnenbild, hervorragenden sängerischen Leistungen und schwungvollem Orchesterspiel schnurrte vergnüglich ab. Christa Ratzenböck überzeugte in ihrer Rolle der nicht gerade sympathischen Powerfrau mit ihrer darstellerischen Präsenz und gesanglichen Kunst.

Die Musiktheaterfreunde waren nach dem Theaterabend einhellig der Auffassung: Das Klagenfurter Stadttheater, das südlichste Theater des deutschsprachigen Raums, derzeit unter der Intendanz von Aron Stiehl, brauche den Vergleich mit anderen, größeren Bühnen mit Musical-Angebot nicht zu scheuen!

Graz: Die „Begegnung der Welten“ im Tanz
Die Fahrt über den Packsattel in die Steiermark endete in Graz beim Hotel Mariahilf. Es blieb Zeit genug für eine ausgedehnte Mittagsrast im Restaurant „Der Steirer“ mit guter bodenständiger Kost. Danach Stadtführung! Eine der beiden Stadtführerinnen führte ihre Gruppe hinauf zum Schlossberg mit dem Uhrturm, der den Blick auf die Dächerlandschaft der Stadt von oben ermöglichte und erahnen ließ, warum der historische Kern von Graz zum UNESCO-Weltkulturerbe erhoben worden war.
Wiederum einen Fellner & Helmer-Bau hatte abends die Reisegruppe nach dem Aussteigen aus dem Bus am Opernring vor sich, und zwar das 1899 eröffnete neobarocke Opernhaus Graz. Es stand der Ballettabend Undine mit Musik von Hans Werner Henze am Programm. Der Bühnenvorhang öffnete sich und ein die ganze Breite der Bühne einnehmendes Schwimmbad (natürlich ohne Wasser) mit dem verblichenen Charme der fünfziger Jahre war zu sehen …

Das Ballett „Undine“, wie wir es erlebten, folgt nur bedingt dem bekannten Stoff der Wassernixe mit Menschwerdens-Wunsch. Die Choreographie der Grazer Produktion besorgte Beate Vollack. In ihrer Version wird „Undine“, um ihre (dem Menschen) fremdartige Persönlichkeitsvielfalt erahnbar zu machen, von sechs ident gekleideten Tänzerinnen verkörpert. Die männliche Hauptfigur Palemo verliebt sich nicht in ein Einzelwesen, sondern in das Undinen-Wesen an sich. Da muss er scheitern! Um dies darzustellen, arbeitet Vollack mit den Elementen des klassischen Tanzes. Diejenigen Reiseteilnehmer, die sich mit der Entscheidung von Beate Vollack, klassischen Tanz anstatt modernem Ausdruckstanz zu zeigen, nicht abfinden konnten, lösten lebhafte Gespräche zwischen den Musiktheaterfreunden aus. Der Ablehnung der Produktion stand große Begeisterung für diese gegenüber – meine Person gehörte zu den Begeisterten! Die Qualität von Hans Werner Henzes bereits 1957 vollendeter, der damaligen Avantgarde nicht verpflichteter Ballettmusik stand außer Frage, und Einmütigkeit herrschte auch bei der Beurteilung der gesamten Reise durch die Teilnehmer: diese werde, auch dank der Reiseleitung durch Richard Architektonidis, als voll gelungen in die Annalen des Freundevereins eingehen.

HEIDE STOCKINGER