Wie in den beiden Vorjahren im Herbst in Zagreb konnten sich vom 15. bis 17.10.2013 50 „Freunde des Linzer Musiktheaters“ auch diesmal davon überzeugen, dass auch Opernhäuser kleinerer Hauptstädte in ehemaligen Ostblockländern Musiktheater in hoher Qualität bieten können. Wobei Bratislava die Erwartungen nicht nur erfüllt sondern übertroffen hat, die Aufführungen von LA TRAVIATA am 2007 eröffneten Neuen Slowakische Nationaltheater und von MACBETH am historischen Slowakischen Nationaltheater rissen das Publikum zu Begeisterungsstürmen hin.

Das Preßburg vergangener Tage, die „Vorstadt von Wien“ – heute: das moderne Bratislava, „Wiens Twin City“, war um die Mittagszeit erreicht. Das Brücken-Restaurant „UFO“ hoch über dem Donaustrom bot nicht nur einen ersten Blick auf die Stadt sondern auch feines Essen, Maissüppchen mit Zuckerschoten, Zanderfilet auf Risotto und ein Nachspeisen-Potpourri. Die Reiseleiterin Inna Vasiljaka erwartete uns schon, im Bus erkundeten wir den Stadtteil Slavin mit seinen Villen, die auf Hügeln, den Ausläufern der Kleinen Karpaten, erbaut sind. Beim Spaziergang durch die Innenstadt staunten diejenigen Reiseteilnehmer, die Preßburg noch nicht kannten, über die Vielzahl von historischen Gebäuden und Palais, die, aneinandergereiht, die Straßenzüge bis hin zum Michaelertor säumen. Und abends, als sich der Bus der Neuen Slowakischen Oper näherte, war nicht nur die Reisegruppe überrascht von brandneuen Gebäuden mit Banken und Einkaufszentren sondern auch Reiseleiter Rudolf Wallner. Vor einigen Jahren sei hier noch nichts gestanden, außer das in Bau befindliche Opernhaus! Mehr noch als die Fassade des groß dimensionierten Opernhauses überzeugte die Reisegruppe die noble Innenausstattung, die rote Bestuhlung gewährte viel Beinfreiheit. Der Vorhang hob sich zu LA TRAVIATA, die guten slowakischen Sängerinnen und Sänger machten ihr statisches Verharren beim Absingen der Arien und das etwas „verstaubte“ Bühnenbild vergessen, das Dirigat war gediegen, Violetta hatte, neben gutem Aussehen, eine ausgefeilte Gesangstechnik, Alfredo wirkte neben ihr etwas blass, dafür war aber der Sänger Dalibor Jenis herausragend, der Alfredos Vater verkörperte; von ihm wird noch die Rede sein. „Eine sehr gute Aufführung“, so bewertete Rudolf Wallner den Opernabend, und seine Schützlinge stimmten ihm zu.

Am nächsten Tag stand das etwa 130 km nordöstlich von Bratislava liegende Städtchen Trencin im Waagtal am Programm. Der besondere Stolz der Trenciner gilt einer in Stein geritzten römischen Inschrift aus dem Jahr 179, die von der siegreichen Schlacht der Römer gegen die Quaden berichtet. Die lateinischen Worte konnten die Reiseteilnehmer nach Besichtigung der großen Trenciner Burganlage nachlesen; ein Fenster des Speisesaals im neu renovierten Hotel Elisabeth gab den Blick darauf frei. Nach einem vorzüglichen Mittagessen mit slowakischen Gerichten war die Fahrt durch hügelige slowakische Weinbaugebiete geplant. Nach Verlassen der Autobahn hielt der Bus aber nach wenigen Kilometern.

Großes Rätselraten, will der Bus umkehren, muss die Straßenkarte studiert werden, oder ist gar das Benzin ausgegangen. Wenig später stießen die Reiseteilnehmer mit Sekt im Becher auf DIE Person an, die seit kurzem gemeinsam mit ihrem Mann Peter Rieder mit großem Einsatz den Verein „Freunde des Linzer Musiktheaters“ leitet. Henriette Rieders runder Geburtstag gab Anlass zum Feiern, und die Gruppe war eingeladen mitzufeiern.

Als die Musiktheaterfreunde gut gelaunt weiterfuhren, änderte sich auch die Landschaft, auf sanften Höhenrücken wuchs Wein, die Weinorte Modra und Pezinok lagen am Weg. Die Zeit rückte voran, Rudolf Wallner, sonst die Ruhe selbst, wurde nervös. Er zitierte aus ROSENKAVALIER die Marschallin, die im 1. Akt Oktavian auffordert: „Fahr er schnell in seine Kleider!“ Aber, trotz Staus vor Bratislava, wurde das Hotel „park inn Danube“ noch rechtzeitig erreicht, um in die „Kleider“ zu schlüpfen. Die Veranstalter hatten in weiser Voraussicht ein Hotel gewählt, das nur wenige Gehminuten entfernt vom historischen (altösterreichischen) Slowakischen Theater, einem Fellner & Helmer Bau, liegt!

Vor Beginn der Vorstellung wurde eine riesige graue Stoffbahn hochgezogen, aber der dadurch aufgewirbelte Staub war gleich vergessen, denn es ereignete sich Nicht-Vorhergesehenes, die Oper MACBETH übertraf LA TRAVIATA, die Inszenierung war besser, die Choreografie, das sparsame Bühnenbild mit einem einzigen multifunktionalen grauen Bauelement, und, welche Überraschung!, der famose Giorgio Germont des Vorabends, Dalibor Jenis, ein Weltklasse-Bariton, war Macbeth – wann war das schon vorgekommen, dass man ein und dieselbe Spitzenbesetzung hintereinander erleben kann, in zwei gänzlich unterschiedlichen Rollen? Seine Partnerin, die Italienerin Maria Pia Piscitelli, ebenfalls Spitzenkraft, hatte aber, würde Verdi gesagt haben, einen Makel, als Lady Macbeth sang sie zu schön und sah zu gut aus. Aber als ihren Mann umgarnendes Weib, das ihre Schönheit für die Erreichung teuflischer Ziele einsetzt, war sie für die Oper genau richtig besetzt, die Handlung nahm ihren grausigen Verlauf, und das Publikum dankte es dem gesamten Team, auch dem Dirigenten Friedrich Haider, mit standing ovations.

Am dritten Tag der Reise führte eine liebenswerte Dame namens Maria Mihalcova. Am Schlossberg im Burghof der mächtigen Burg mit ihren vier Türmen – die Innenräume waren noch nicht fertig restauriert – outete sie sich als Maria Theresia-Fan und rühmte die Verdienste der Monarchin für die damals ungarische Stadt Preßburg. Bei schönem Wetter machte der Blick hinunter zur Donau und hinüber ans niederösterreichische Ufer die besondere geografische Lage von Bratislava fassbar. Das anschließende schmackhafte Essen im Schlossrestaurant bot als Höhepunkt zum Dessert eine saftige Schokoladetorte. Mit gut gefülltem Magen ging sich gerade noch ein Rundgang im Martinsdom und ein kurzer Einkaufsbummel aus, bevor die Reise wieder ins so nahe Österreich zurückführte. Rudolf Wallner war wohl erleichtert, die Reisegruppe (50 Personen) wieder wohlbehalten heimbringen zu können, nichts war passiert. Dass nichts passiert war, ist aber auch dem Chauffeur Gerhard Esch zu danken, er hatte in Bratislava beim Einsteigen in den Bus aufmerksam auf ein 10 cm aus dem Gehsteig ragendes Rohr gemacht, über das man hätte stolpern können; sein Kommentar: „Des gäb’s bei uns net“!…

Heide Stockinger
Fotograf: Rieder