Richard Tauber, dem Sänger, Komponisten und Dirigenten, zum 125sten Geburtstag am 16.5.2016

Am 27. September 1947 stand Richard Tauber als Don Octavio in der Mozart-Oper Don Juan das letzte Mal auf einer Opernbühne. Die Wiener Staatsoper gab ein Gastspiel an der Londoner Royal Opera Covent Garden. Mit berühmten Kollegen des Wiener Ensembles konnte der in der Emigration lebende Sänger noch einmal, umjubelt, in seiner Paraderolle auftreten. Die in Deutsch gesungene Aufführung dirigierte Josef Krips. In seinen Memoiren, die sich im Linzer Stadtmuseum NORDICO befinden, ist nachzulesen: „Tauber sang den Don Octavio wie in seinen jüngsten Jahren. Ich wusste gar nicht wie krank er war. Nach der Aufführung, nachdem der Beifall verrauscht war, kam der Arzt in mein Künstlerzimmer und sagte: Wir Ärzte können nicht verstehen, wie er diese Atemphrasen noch durchhalten konnte. Einmalig, unbeschreiblich, wie er mit einer Lunge noch gesungen hat – die zweite Lunge ist ja voller Metastasen.“ Am 8. Jänner 1948 starb Richard Tauber an Krebs, er war im 57. Lebensjahr. Für die Nachwelt erhalten geblieben ist von der legendären Londoner Aufführung der live-Mitschnitt einer Radioübertragung. Ein Amateur nahm die Oper zu Hause auf. Nach Don Octavios Arie „Folget der Heißgeliebten“, auf die der Arzt im Künstlerzimmer Bezug nahm, bricht die Aufnahme ab.  

Zu Richard Tauber, dem vielseitigen Künstler, gibt es Mengen an nachgelassenem Material, und dies sind vor allem auch Tondokumente. Aber was für eine Ausnahmeerscheinung Tauber war, und was ihm in unrühmlichen Zeiten widerfahren war, ist in Österreich, und im Besonderen auch in seiner Geburtsstadt Linz viel zu wenig bekannt. Wenn nicht Dr. Georg Wacha, einige Jahre Direktor des NORDICO, im Jahr 1987 trotz beschränkter Mittel einen Tauber-Teilnachlass für die Stadt bei einer Londoner Versteigerung erworben hätte, stünde Linz arm da! Verdienstvoll auch die 2015 abgeschlossene digitale Aufbereitung von Schriftstücken im NORDICO, in die die Verfasserin dieses Aufsatzes Einsicht nehmen konnte. „Was wissen Sie von Tauber“, fragte sie einen Herrn, der sich für ihren „Forschungsgegenstand“ interessierte. „Dass er ‚Dein ist mein ganzes Herz‘ so schön gesungen hat, die Frauen betört hat, ein Monokel getragen hat, und dann diese Reduktion auf Operette, was nun gar nicht wertend gemeint ist“ – diese Worte, die ein tradiertes Bild des Sängers wiedergeben, verlangen geradezu nach einer Erweiterung des Blickwinkels.   

Beim letzten Bühnenauftritt als Sänger am Wiener Operntheater (heute Staatsoper) Anfang März 1938 war Richard Tauber auch ein „Octavio“. Aber nicht der Mozart‘sche sondern der Hauptmann in Franz Lehárs Operette Giuditta. Wenig später brach Tauber zu einer Tournee nach Italien auf. Die Nachricht vom Einmarsch der deutschen Truppen in Österreich erreichte den Ahnungslosen in Mailand am 12. März 1938. Da Richard Tauber einen jüdischen Vater hatte, konnte er nun auch nicht mehr zurück nach Österreich, das zu existieren aufgehört hatte. Im Jahr 1933 hatte er schon Deutschland verlassen müssen, sein Eigentum und beträchtliches Vermögen waren beschlagnahmt worden. Der politisch uninteressierte Sänger hatte Vorzeichen von drohendem Unheil durch die Nationalsozialisten weder in Berlin noch, Jahre später, in Wien ernst genommen, auch nicht die Verunglimpfungen seiner Person in Hetzschriften als „Judentenor“ und „Operettenjude“. Ab 1938 war im Deutschen Reich den Schallplattenfirmen der Verkauf von Tauber-Schallplatten verboten. Auch nach Hitlers Machtübernahme in Österreich ging Tauber seines Vermögens verlustig. Mit Schreiben vom 25.1.1941 wurde dem „ehemaligen Kammersänger Richard Israel Tauber“ eine hohe Summe an „geschuldeter Reichsfluchtsteuer“ steckbrieflich angelastet.   

Bevor Richard Tauber seine Italien-Reise angetreten hatte, beschenkte er die Besucher des Wiener Operntheaters mit Jahresbeginn 1938 noch mit seiner glanzvollen Stimme als Canio in Bajazzo, als Evangelimann, als Don Octavio in Don Giovanni, als Primus Thaller in Kuhreigen, als Hans in Die verkaufte Braut, als Prinz Sou-Chong unter Lehárs Dirigat in der Operette Das Land des Lächelns, als Linkerton in Madame Butterfly, als Tamino in der Zauberflöte, als Rudolfo in La Boheme und am 7. März als Octavio in Lehárs Operette Giuditta, wie bereits erwähnt. Dem Freund Franz Lehár begegnete Tauber erst wieder nach acht Jahren in der Schweiz. Ab den zwanziger Jahren hatte er mit Lehár zusammengearbeitet und ihm beim Komponieren der „Tauber-Lieder“ geholfen.

In Rom im Teatro Eliseo wurde im Lauf des März 1938 Das Land des Lächelns mit Richard Tauber aufgeführt. Auch Das Dreimäderlhaus von Heinrich Berté nach Melodien von Franz Schubert war am Programm. Tauber sang im zweiten Akt als Einlage Schuberts Ständchen „Leise flehen meine Lieder“. Als er den letzten Ton ausklingen ließ, soll sich aus dem Zuschauerraum die mächtige Stimme Benjamino Giglis erhoben haben: „Riccardo, sei grande!“ Dem Ausruf von Gigli soll das Publikum mit großem Applaus beigepflichtet haben.

Richard Tauber kümmerte sich nicht um die Trennung von U- und E-Musik. Er war  d e r  Tenor für die späten Lehár Operetten „Paganini“, „Der Zarewitsch“, „Friederike“, „Das Land des Lächelns“ und „Giuditta“. Er war sich der Gunst eines breiten Publikums gewiss. Es feierte ihn als Star. Sein Operetten-Gesang hat sich der Nachwelt eingeprägt, sodass sein Wirken als großartiger Opern-Tenor davon fast völlig überschattet wurde.
Marcel Prawy kann Taubers Wechsel zwischen den Sparten Positives abgewinnen: „Er machte Karriere gegen alle Regeln der Puristen, weil er alles sang und alles gemacht hat und alles gleich gut.“ Dass Tauber aber um seine Reputation besorgt war, geht aus Josef Krips‘ Memoiren hervor: „Er reiste sechs Monate im Jahr als Operettensänger herum, trat damals vor allem in Berlin in Lehár-Operetten auf, in Das Land des Lächelns, Friederike, und wie das alles hieß. Er sang fast täglich, bis zu dreißig Mal im Monat. Das konnte er sich allerdings nur Dank seiner Technik leisten. Er sagte immer: ‚Drei bis vier Monate im Jahr muss ich nach Wien an die Oper gehen. Das brauche ich einfach, um ein Künstler zu bleiben.‘ Die Ausgewogenheit zwischen einer wunderbaren Stimme, einer perfekten Technik und höchster musikalischer Bildung macht den großen Künstler. Und er war wirklich einer der Größten (…).“

Tauber hat auch Volkslieder gesungen, wohltuend schlicht mit zurückgenommener Stimme. In dem 1935 in England produzierten Film Heart’s Desire wird der von Tauber gespielte Wiener Heurigensängers Steidler nach England eingeladen. Auf der Bahnfahrt durch Alpentäler Richtung Calais singt er in Deutsch das Volkslied „Morgen muss ich fort von hier und muss Abschied nehmen“ aus des Knaben Wunderhorn, vertont von Friedrich Silcher. Das Abschied-Nehmen wurde drei Jahre später raue Wirklichkeit.

Die Skala von Taubers Ausdrucksmöglichkeiten war breit gefächert. Die tragikomische Ballade vom „Kleinzack“ und die elegische Arie „Ha, wie in meiner Seele entbrennet“ aus Hofmanns Erzählungen singt Tauber so, dass es einem ans Herz greift. Zur „Ballade“ findet der Kenner der Gesangskunst Jürgen Kersting die Worte: „Die Stimme tanzt durch die Musik, schillert in vielen Farben und koloriert die sprachlichen Nuancierungen“, und von „expansiver und glühender Phrasierung“ spricht er, die verzaubere, wenn Tauber die elegische Arie zelebriert und mit einem „leuchtenden Piano“ schließt.

Tauber war ein unvergleichlicher Darsteller. Seine Atemtechnik legendär, „seine Phrasierungskünste waren gegründet auf einem schier endlosen Atem“. Seine Bühnenpräsenz kaum je erreicht. Es gibt über die Jahre seines Wirkens hinweg, beginnend mit 1913, eine Unzahl von begeisterten Berichten über ihn und seine Auftritte. Er spielte bis in die 40er Jahre vor ausverkauften Häusern. Er beherrschte eine Vielzahl von Tenorpartien, auch die von damals modernen Komponisten wie Franz Schreker und Erich Wolfgang Korngold. Er war ein „SOS-Sänger“, weil er in kürzester Zeit neue Partien lernen konnte. Er war auch als Liedsänger umtriebig, vor allem in den Plattenstudios. Sein Repertoire umfasste unter anderem Lieder von Schubert, Schumann, Mendelssohn, Grieg, Brahms, Wagner, Tschaikowski, Hugo Wolf, Dvořák und Richard Strauss. Er sang auch viele Schlager mit zum Teil banalen Texten – die Verdienstmöglichkeit lockte. In mehreren Filmen, die man besser nicht der Vergessenheit entreißen sollte, verkörperte er Sänger. Im englischsprachigen Film „Blossom Time“ spielte er auch den unglücklich verliebten Franz Schubert.

Richard Taubers rege Konzerttätigkeit und die unzähligen Gastspiele trugen ihn in fast alle europäischen Länder, nach Ägypten, Ceylon, Australien bis Neuseeland, nach Südafrika, Mittel- und Südamerika und in die USA mehrmals. Bei den Salzburger Festspielen durfte Tauber als berühmter Sänger auch nicht fehlen. 1922 trat er als Don Ottavio (Dirigent Richard Strauss) und als Belmonte (Dirigent Franz Schalk) auf. 1926 sang er wieder den Don Ottavio (Dirigent Franz Schalk) und den Belmonte (Dirigent Bruno Walter), und in der Operette Die Fledermaus (Dirigent Bruno Walter) den Eisenstein, Hans Moser spielte den „Frosch“.

Ja, und am Landestheater Linz gastierte Richard Tauber ebenfalls. Er war im Jahr 1921 am 18.7. als Pedro in Tiefland zu erleben, am 20.7. als Don José in Carmen, am 21.7. wiederum als Pedro in Tiefland, am 1.8. als Mathias Freudhofer in Der Evangelimann, am 2.8. als Jószi in der Operette Zigeunerliebe und am 3.8. zum dritten Mal den Pedro in Tiefland. Am 25.10.1922 gab Tauber einen Lieder- und Arienabend im Kaufmännischen Vereinshaus. Ein für den 8.11.1932 im Linzer Volksgarten vorgesehenes Konzert kam wegen Erkrankung nicht zustande – immer wieder litt Tauber an Halsschmerzen und Kehlkopfentzündungen! Im Jänner 1935 stellte sich Tauber als Komponist und Dirigent vor. Direktor Ignaz Brantner – auch nach dem Zweiten Weltkrieg kurze Zeit Direktor des Linzer Landestheaters – setzte Taubers Operette „Der singende Traum“ auf den Spielplan. Von sechs Vorstellungen wurden vier von Richard Tauber dirigiert. Als Sänger auf der Bühne gestanden war er am 31.8.1934 bei der Uraufführung seiner Operette am Theater an der Wien. „Die Ovationen dauerten bis lange nach Mitternacht“ war in der Kritik des Neuen Wiener Tagblattes zu lesen. Auch die Linzer Premiere wurde vom Publikum bejubelt, in der Tages-Post vom 7.1.1935 wurde sowohl Taubers Dirigat als auch die Komposition gelobt. Die Operette sei in einem seriösen Stil geschrieben, Taubers Musik sei im Harmonischen wie im Formalen oft von klassischer Schönheit. „Im Orchester blitzen und funkeln Effekte, die vielseitige Musikalität und reife Erfahrungen in Verbindung mit einer treffsicheren Wirkung für alles Theatermäßige verraten“ und Tauber habe das Orchester „mit dem Einsatz seines ganzen körperlichen Ichs“ geleitet und nach Jahren ein freudiges Wiedersehen mit seinen Landsleuten gefeiert. Noch einmal kam Richard Tauber nach Linz. Am 21.2.1936 sang Tauber den Pedro in Tiefland in der Inszenierung von Ignaz Brantner und wurde „durch außergewöhnlichen intensiven Beifall geehrt und bedankt“. 

Ab Herbst 1938 lebte Richard Tauber isoliert vom europäischen Festland in England. Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges konnte Tauber noch an der Royal Opera Covent Garden auftreten, auch als Don Ottavio in einem auf Italienisch gesungenen Don Giovanni. Dann war aber Covent Gardens Bühnenbetrieb wegen drohender Bombenangriffe eingestellt. Ein Brief an seine Frau Diana Napier vom Oktober 1945 lässt erkennen, dass die Zeit der Emigration Tauber als Künstler etwas ins Abseits geraten ließ, beziehungsweise sich schon seine Todeskrankheit ankündigte. Er schreibt: „Es gibt Tage, an denen ich tief verzweifelt bin. Ich habe großen Kummer, oft weiß ich nicht, wie ich weiter machen soll, mein Hals ist in keinem guten Zustand. (…) Ich muss mich wohl alleine durchkämpfen. Dein Dich liebender Gatte Richard.“

Ausgedehnte Konzertreisen quer durch England waren sein Alltag gewesen. Erfolg hatte Richard Tauber auch mit seiner Operette Old Chelsea, sie war jahrelang im Repertoire auf diversen englischen Bühnen. Tauber hatte als junger Mann Komposition studiert, sein Oeuvre umfasst vier Operetten, etliche Instrumentalwerke und Lieder, und auch als Dirigent war er ausgebildet. In der Emigration dirigierte er unter der Patronanz des berühmten Sir Thomas Beecham ab 1940 das London Philharmonic Orchestra. Im NORDICO befindet sich ein anrührender Brief seines stolzen Vaters Richard A. Tauber vom Februar 1941. „Mein innig geliebter Richard, (…) freut mich zu hören, dass Dein Erfolg als Dirigent so groß ist, dass Du mit dem weltberühmten Londoner Philharmonischen Orchester als Dirigent auf Tournee gehst. Ich denke an Deine Kindheit zurück, wo Du Dich noch geweigert hast, Klavierunterricht zu nehmen, und auch gegen Deine Studien am Frankfurter Konservatorium warst und es auch eines Tages ohne mein Wissen aufgegeben und erst in Freiburg wieder aufgenommen hast, weil ich darauf bestand. Du wirst mir das Zeugnis nicht verweigern können, dass ich Dir für Deine Kunst als Sänger und Dirigent die Unterlagen gegeben habe, die noch für Dein späteres Alter eine sichere Gewähr sind. Mit dieser Genugtuung werde ich einmal meine Augen schließen.“ – 1942 starb der Vater in Lugano in der Schweiz.

Taubers Mutter Elisabeth Seifferth, eine Soubrette, die am Linzer Landestheater engagiert war, kam im Gasthaus Zum Schwarzen Bären am 16. Mai 1891 mit Richard Denemy (Mädchenname der Mutter) nieder. Sie war fast 44 und 14 Jahre älter als Taubers Vater, der Schauspieler Richard Anton Tauber. Drei Wochen nach der Geburt des Kindes musste sie wieder singen, ihr Baby gab sie in Pflege. Das Kind wuchs in unsicheren Verhältnissen auf, es besuchte Schulen an so verschiedenen Orten wie Linz, Prag, Graz, Berlin und Salzburg, bis der fürsorgliche Vater den 12jährigen Knaben ganz zu sich holen konnte, nach Wiesbaden, wo er im Engagement war. Nach Studien in Frankfurt wurde Tauber erst in Freiburg zum Sänger ausgebildet. Sein Debüt gab er 1913 in Chemnitz als Tamino. Karriere machte er an der Hofoper in Dresden. Danach war Berlin zum Mittelpunkt seines Lebens geworden, ab den frühen Zwanzigern sang er auch an Wiener Opernbühnen.

Wenn es einem guten Zweck diente, verzichtete Richard Tauber für Auftritte sowohl als Dirigent als auch als Sänger auf seine Gage. Großzügigkeit soll eine herausragende Eigenschaft von Tauber gewesen sein. Paul L. Stein, der bei zwei englischsprachigen Tauber-Filmen Regie führte, bezeichnete seinen Sänger-Darsteller als „heiter und mutwillig. Er nahm nichts sehr ernst“. Zeitgenossen nannten ihn gutherzig, zwanglos, verspielt, zutraulich, humorvoll, gefühlsbetont und freigiebig. Tauber verdiente viel, vor allem mit seinen zahllosen Auftritten als Operettensänger. Für seine eigenen Bedürfnisse und den Lebensunterhalt seiner Eltern, Cousins und Halb- und Stiefgeschwister gab er Geld mit leichter Hand aus. Als Richard Tauber mittellos starb, mussten Freunde die Spitals- und Begräbniskosten übernehmen.    

Nach Richard Taubers Ableben zu Jahresbeginn 1948 nahmen in London Tausende von ihm Abschied, beim Begräbnis am 12. und bei einer Gedenkfeier am 20. Jänner in der Royal Albert Hall. In deutschen Ländern war Tauber nach seinem Tod den Zeitungen nur ein paar schmale Kolumnen wert. In Österreich dauerte es, bis Richard Tauber wertgeschätzt und seine Lebensgeschichte aufgearbeitet war. Am 13. Mai 1966 gab die Kulturabteilung der Landesregierung einen Aufsatz des Chronisten der Geschichte des Linzer Landestheaters Dr. Heinrich Wimmer heraus. Unter dem Titel „Richard Tauber zum Gedenken“ befasst sich der Autor mit dem Werdegang des „gottbegnadeten Sänger-Schauspielers“. „Kammersänger Tauber“ habe bis zu seiner Übersiedlung nach England im Jahre 1938 gute Beziehungen zu seinem Geburtsland Oberösterreich unterhalten. Größte Erfolge seien Tauber in den Dreißiger-Jahren als Lehár Sänger beschieden gewesen. Zitat: „Besonders denkwürdig ist hier die Wiener Staatsopernaufführung der Operette Giuditta am 20. Jänner 1934, in der er als Partner von Jarmila Novotná die männliche Hauptpartie sang. 1938 verließ Kammersänger Richard Tauber Wien und übersiedelte nach London, wo er bereits 1936 die englische Schauspielerin Diana Napier geheiratet hatte.“ Das Schicksalsjahr 1933 kommt im Aufsatz nicht vor und für das Jahr 1938 wird eine „Übersiedlung“ nach London angegeben – gewisse Tatbestände zu ignorieren war bis in die achtziger Jahre in Österreich Usus.

Heute zählt Richard Tauber zu den führenden Sängern des vorigen Jahrhunderts. In einem Booklet zu einer 2009 erschienen CD-Produktion der englischen Firma Icon schreibt der Musikwissenschaftler John Steane, dass Tauber im Gegensatz zu anderen großen Sängern durch das Singen von populären Sachen „kontaminiert“ worden sei. Daher: Kaum etwas dürfte für seine Rehabilitation wichtiger gewesen sein als der letzte Auftritt an Covent Garten am 27. September 1947. Ungemein beeindruckt und ergriffen seien Mitglieder der Staatsoper gewesen, auch solche, die mit Tauber zum ersten Mal auf der Bühne gestanden waren, Elisabeth Schwarzkopf zum Beispiel. Einer anderen Quelle ist zu entnehmen, dass Hans Hotter, der den Don Juan gesungen hat, zu Richard Taubers sängerischer Leistung als Don Octavio gemeint haben soll: „Tauber ist das Gegenbeispiel für die These, dass es nur ‚entweder – oder‘ gibt, also entweder Oper oder Operette. Er konnte eben beides, WEIL ER DIE KUNST DES SINGENS BEHERRSCHTE – dem füge ich, die Verfasserin dieses Aufsatzes, nun nichts mehr hinzu!

Heide Stockinger

Quellen:
An Taubers Leben und Wirken Interessierte seien verwiesen auf die ausgezeichnete und fast lückenlose Dokumentation von Martin Sollfrank. Erschienen ist das reich bebilderte, mehr als 500 Seiten umfassende Buch im Jahr 2014 im Verlag Weltbuch. Ich entnahm dem Buch viele detailgetreue Informationen. Alle nicht gesondert ausgewiesenen Zitate in meinem Aufsatz stammen aus seinem Buch. Ich bedanke mich beim Autor! Auch Evelyn Steinthalers Buch „Morgen muss ich fort von hier“ gewährte mir bewegende Einblicke in Taubers Biografie. Mein besonderer Dank gilt aber dem in Bad Ischl lebenden Tauber-Fan Kai-Uwe Garrels, der mir wertvolle Tipps gegeben, mich beraten und beim Hören vieler Musikbeispiele mit dem „Tauber-Fieber“ angesteckt hat. In seinem Aufsatz vom Jahr 2008 „… ICH SINGE LEHÁR“ – „Ein Streifzug durch die Diskographie Richard Taubers“ stehen Richard Tauber und Franz Lehár als Musiker-Kollegen im Mittelpunkt. Der Titel bezieht sich auf Taubers Antwort auf die oftmals gestellte Frage, warum er denn Operette sänge: „Ich singe nicht Operette, ich singe Lehár.“ Garrels Aufsatz schließt mit den Worten: „Dreizehn Jahre nach Taubers Vertreibung aus Deutschland, acht Jahre nach dem Verlust seiner österreichischen Heimat und fünf Jahre nach seiner Einbürgerung in Großbritannien gibt es ein letztes Zusammentreffen mit Franz Lehár in Zürich. Es führt zu einem gemeinsamen Konzert für Radio Beromünster am 5. Juni 1946. Als letzte Nummer singt Tauber auf englisch, deutsch, italienisch und französisch ‚Dein ist mein ganzes Herz‘.“  

Fotograf: Skopec-Basta, privat