Wir kennen das Theater als magischen Ort, Probenbesucher kennen das Theater als Stätte harter Arbeit, doch am Samstag dem 13.1.2018 kam noch eine weitere Facette dazu. Wir erlebten wie am Theater mit eisernem Willen und außerordentlichem Einsatz, der bis an die physischen Grenzen geht, Vorstellungen gerettet werden, denn eine Absage ist für Künstler die letzte Option.

Lui Chan, Konzertmeister des Brucknerorchesters Linz musste in der Nachmittagsvorstellung von „Die Frau ohne Schatten“ für einen erkrankten Kollegen einspringen. Für den Abend war die Generalprobe der Tanzproduktion „Tod und das Mädchen“ anberaumt, deren musikalischer Leiter er ist. Zu dieser Probe hatte das Landestheater die „Freunde“ als Ersatz für das entfallene SonntagsFoyer exklusiv eingeladen. Eine Absage der ausverkauften Oper kam nicht in Frage, die Generalprobe musste stattfinden und auch uns Probenbesucher wollte man nicht enttäuschen.

So begann Dramaturgin und Produktionsleiterin Katharina John pünktlich um 19.30 Uhr mit ihrer Einführung und erläuterte die Hintergründe der neuen Tanzproduktion. Das Gedicht „Der Tod und das Mädchen“ von Matthias Claudius inspirierte Schubert zu seinem berühmten Streichquartett Nr.14 in d-Moll. Tanzdirektorin Mei Hong Lin schuf dazu eine Choreografie, wobei sie den im Gedicht offen bleibenden Ausgang für ihre eigenen Interpretationen nutzt. Den Kontrapunkt dazu, sowohl musikalisch als auch inhaltlich, setzt die Choreografin und stellvertretende Tanzdirektorin Christina Comtesse. Sie beschäftigt sich zur Musik des südafrikanischen Komponisten Kevin Volans mit dem Umgang verschiedener Kulturen mit dem Tod, wobei sie den 4 Sätzen des Streichquartettes „White Man Sleeps“ die 4 Elemente zuordnet.

In noch nie dagewesener Art greifen diese Deutungen ineinander und lassen einen Tanzdialog zu dem häufig tabuisierten Thema entstehen. Wie gut der Dialog zwischen den beiden starken, ungemein kreativen Frauen funktioniert, zeigte sich bei ihrer Einführung, wo sie kurzerhand auf das Mikrofon verzichteten und in einem amüsanten Zwiegespräch ihre jeweilige Sicht zum Thema und zur Umsetzung präsentierten. Christina Comtesse stand dem Einfall Mei Hong Lins, den sie, wie sie schmunzelnd verriet, zwischen Traum und Aufwachen hatte, zuerst noch skeptisch gegenüber. Doch bald war sie ebenso gebannt von der Idee, suchte die passende Musik und recherchierte intensiv. Dennoch ließen sich die beiden Choreografinnen bis wenige Tage vor der Premiere offen, statt des Dialogs einen zweiteiligen Abend zu gestalten.

Der Ausstatter Dirk Hofacker hielt sich angesichts der geballten Frauenpower bewusst oder unbewusst etwas im Hintergrund, erläuterte aber ebenso interessant und nachvollziehbar sein Konzept zum Bühnenraum und zu den Kostümen. Gegenüber angeordnete Zuschauertribünen – sie symbolisieren Leben und Tod – begrenzen die Bühne, die von einem Ring umschlossen wird.

Die Befürchtung Mei Hong Lins, die Probenbesucher würden nicht bis zum verspäteten Beginn der Generalprobe ausharren, erwies sich als unbegründet. Wir überbrückten die verbleibende Zeit mit Gesprächen und einem Pausengetränk und gegen 21.30 Uhr, eine knappe Viertelstunde nach Ende der Opernvorstellung im Großen Saal, traf der musikalische Leiter Lui Chan ein. Die Probe in der Black Box konnte beginnen.

Fast eineinhalb Stunden durchgehend entfaltete sich vor den Besuchern ein Tanzidalog, der sie staunen machte und berührt zurückließ. Der begeisterte Applaus galt den großartigen Tänzerinnen und Tänzern ebenso wie den wunderbaren Musikern des Franz Xaver Frenzel Quartetts und hier insbesondere Lui Chan, der mit seinem großartigen Einsatz den Abend gerettet hatte.

Ulrike Skopec-Basta
Fotograf: Fleckenstein, Tom Mesic