Musiktheater macht Fortschritte

Zu Ende des vergangenen Jahres hat sich unser Vorstand mit den maßgebenden Vertretern der Errichtungsgesellschaft (EG) des Musiktheaters im Besprechungszimmer des Landestheaters zusammengesetzt, um den Stand der Planung aus erster Hand zu erfahren. KR Dipl.-Ing. Otto Mierl, Dr. Thomas Königstorfer, Ing. Martin Schmidt (Projektleiter der EG) und Intendant Rainer Mennicken erläuterten die neuesten Grundrisse, Schnitte und Ansichten der Entwurfsphase.

Von Dipl.-Ing. Hildebrand Harand 
Ziviling.f.Bauwesen 
Vorstandsmitglied und Baureferent

Die verschiedenen Abschnitte einer gehobenen Bauplanung sind - wie vielleicht nicht allgemein bekannt - Wettbewerb, Vorentwurf, Entwurf, Einreichsplanung, Polier- und Detailplanung sowie Planung der Sonderfachleute. Zwischen diesen Abschnitten sind jeweils Genehmigungen und Freigaben durch den Bauherrn und die Baubehörde erforderlich, wobei diese mitteilen müssen, in wel-cher Richtung Änderungen nötig sind. Diese müssen in der Weiterplanung berücksichtigt werden. 

ÄUßERES ERSCHEINUNGSBILD 

Was das derzeitige äußere Erscheinungsbild unseres Musiktheaters betrifft, so wirkt es in schlichter Weise klar gegliedert und verzichtet auf spektakuläre Formen. Der Eingang ist unmittelbar an den Volksgarten angebunden, die Straßenbahn nicht mehr sichtbar. Der Baukörper ist in Nord-Süd-Richtung um 4m schmäler geworden, sodass die Blumauerstraße (diesen Namen wird sie auf Wunsch des Bürgermeisters behalten) nun lichtdurchlässiger ist, zum Vorteil ihrer Bewohner, aber auch der The-aterleute, die an der Nordseite des Bauwerks ihre Räumlichkeiten haben. 

EIGENSTÄNDIGE OBJEKTE 

Entlang der Blumauerstraße, einer für dieses Gebiet lärmarmen Zone, befindet sich nämlich der Vorbereitungs- und Probenbereich für Künstler und Theaterleute. Hinter der langen, durchgehenden Fassade sitzen mehrere eigenständige Objekte ("Türme") mit jeweils eigenem Stiegenhaus, eigenen Toilettengruppen und eigenen Garderoben. Sie sind voneinander durch Lichthöfe getrennt, über denen im Dachbereich eine Glasabdeckung vorgesehen ist. Die Fassade im Bereich der Höfe ist durchgehend Glas. 

Diese mehrstöckigen Objekte gehören jeweils einer Künstlergruppe an: Chor (mit Extrachor), Solisten, Ballett. Horizontal werden die Türme durch einen breiten Gang im Gebäudeinneren in jedem Geschoss verbunden. Lifte sind offensichtlich großzügig eingeplant. Für alle Objekte gilt: das Erdgeschoss gehört den Damen, im 1. OG sind die Schminkräume, im 2. Geschoss die Herren, im 3. OG sind zusätzliche Solistenräume. Das Orchester ist im ersten Untergeschoss untergebracht, von dort gelangt man direkt in den Orchestergraben. Dieser hat 124m² Fläche, fast doppelt so viel wie derzeit im Großen Haus. Ein für das ganze Ensemble ausgelegter großer Probensaal und ein kleinerer für kleine Konzerte geeigneter Saal vervollständigen die Anlagen für das Orchester. 

GUTE IDEE DES ARCHITEKTEN 

Die Lichthöfe bringen Tageslicht, Luft und gegenseitigen Schallschutz für die einzelnen Künstlergruppen. Der Gang, die Stiegen und die Lifte verbinden diese unter- einander und mit ihrer Wirkungsstätte, der Bühne. Dieses System des Theaterbetriebes, das auf eine Idee des Architekten Terry Pawson zurückgeht, wird von den Theaterfachleuten sehr positiv beurteilt und erscheint auch dem interessierten Laien logisch und sinnvoll. 

Ein wesentlicher Punkt des Interesses unseres Vorstandes war der Zuschauerraum. Er wurde uns durch viele Zeichnungen auf der Dialeinwand dargestellt und erklärt. 

DER ZUSCHAUERRAUM 

Gleich vorweg: der derzeitige Planungsstand zeigt gegenüber den früheren, von uns mit vielen Fragezeichen versehenen Vorstellungen des Architekten deutliche Fortschritte in Richtung Optimierung im Sinn der Besucherwünsche. Die Herren der Errichtungsgesellschaft ließen nicht unerwähnt, dass die nachdrückliche Forderung unseres Vereins nach optimalen Sichtverhältnissen und möglichst guten Klangerlebnissen in ihren Verhandlungen mit dem Architekten stärkend und hilfreich war. So haben wir das auch immer verstanden, nicht mies machen, sondern mithelfen zu einem optimalen Ergebnis. 


Unser Vereinsvorstand im Besprechungszimmer des Landestheaters (von rechts gegen den Uhrzeiger): Dr. Karl Schützeneder, Ing. Hans Huber (leider verdeckt), DI Eduard Barth, Frau Henriette Rieder, Frau Herta Gruber, DI Hildebrand Harand, Gerda Ritschel, Ing. Martin Schmidt, DI Otto Mierl, Dr. Thomas Königstorfer und Intendant Rainer Mennicken.

Während der Erläuterungen zur Findung des optimalen Saals wurde aber auch deutlich, dass das ein schwieriger und langwieriger Prozess ist. Manche für sich allein betrachtete optimale Gestaltungen stehen im Widerspruch zu anderen zu optimierenden Parametern. So sind beste Sichtverhältnisse unter Umständen der Feind bester Akustik. Diese würde einen eher flachen Saal erfordern, wie wir es von den Konzertsälen gewöhnt sind. Der Ton, von Bühne und Orchester kommend, soll nicht von den Körpern der auf steilen Stufen Sitzenden absorbiert oder abgelenkt werden. In unserem Fall ist deshalb vorgesehen, die ersten 6 Reihen mit Stufenhöhe von nur ca. 5 bis 12 cm anzuheben, die weiteren dann parabelförmig bis zur letzten Stufenhöhe von ca. 27 cm. So entsteht ein konkaver Saalboden mit mittlerer Neigung von etwa 10° bis 15°. Die Errichtungsgesellschaft hat aber den Architekten aufgefordert, nochmals eine zusätzliche Neigungssteigerung vor allem im hinteren Parterrebereich zu untersuchen und einzuplanen. Das hat natürlich auch Einfluss auf die Lage der Galerien. 

MEHR ALS 1.000 SITZPLÄTZE 

Ein weiteres Problem ist die richtige Verteilung der Besucher im Zuschauerraum. Auf Grund des zu erwartenden höheren Lebensalters der Menschen wurde die Besucherzahl auf 1010 erhöht. Die Plätze hierfür verteilen sich mit ca. 630 auf das Parterre und mit ca. 210 bzw. ca. 170 auf die beiden Galerien. 2 Galerien erscheinen notwendig, denn der Saal darf nicht zu lange werden, damit auch von den hintersten Reihen gut gesehen werden kann. In der deshalb auf etwa 30m begrenzten Saallänge können nur so viele Sitzreihen untergebracht werden, als es die Bequemlichkeit des komfortablen Sitzens erlaubt. Die Länge der Sitzreihen beginnt bei der geringsten Breite des Saals in Nähe der Bühnenöffnung, die bei uns im Normalfall 14m misst (und auf 16m vergrößert werden kann). Im hinteren Saalteil und auf den Galerien ist der Saal entsprechend breiter, die Sitzreihen länger. Will man auf einer solchen Fläche 630 Sitze unterbringen, so kann von hinteren Sitzen außerhalb des 14m-Streifens (in Wandnähe) keine vollkommene Sicht auf die Bühne erwartet werden. Vollkommene Sicht bedeutet, bei 14m Bühnenöffnung jeden Winkel der Bühne bis in die Kulissenebene auf beiden Seiten einsehen zu können. 80 % der 630 Plätze haben diese vollkommene Sicht, die anderen sind leicht eingeschränkt ("leicht" jedenfalls im Vergleich zu den jetzigen Verhältnissen im Großen Haus). Das über die Einschränkung der Sicht Gesagte gilt auch für die Seitenbereiche der Galerien, deren Reihen ähnlich dem Parterre, nur viel steiler angeordnet sind. Seitenplätze in den Rängen bis zum Bühnenportal (Rücken zur Seitenwand) wird es keine geben, auch wenn aus ästhetischen Gründen und zur Verbesserung der Akustik balkon-ähnliche Gänge 3fach übereinander an den Seitenwän-den zu sehen sein werden. 

PROBLEM MITTELGANG 

Diese insgesamt gelungen erscheinende Sitzplatzanordnung muss noch die Hürde der baupolizeilichen Zustimmung nehmen, da formal Gänge gefordert sind. Diese gibt es in dieser Planung nicht, der Zugang in die Reihen erfolgt von den Seiten. Da auch der Behörde bekannt ist, dass im Ernstfall sich ein langsames Passieren der Fluchttüren, wie es die Seitenabganglösung ermöglicht, viel günstiger auswirkt als das durch Mittelgänge verursachte plötzliche Drängen, dürfte die genannte formale Hürde zu nehmen sein. Ansonsten käme es zu bedeutenden Platzverlusten oder verschlechterten Sichtverhältnissen. Herr KR Dipl.-Ing. Otto Mierl überlegt, vor endgültiger Klärung der Saalkrümmungen ein Probesitzen zu veranstalten. Dazu würde in einer Halle ein ca. 5m breiter Streifen von der ersten bis zur letzten Reihe in Gerüstform aufgebaut und bestuhlt. So kann die Sichtmöglichkeit 1:1 getestet werden - eine gute Idee. 

WUNSCH: EIN ANIMATIONSVIDEO 

Ein weiterer Punkt unserer Besprechungen war der Eingangsbereich mit Kassen, Foyer, Garderoben, Toiletten. Diese Einheiten sind sowohl vom Volksgarten, von einer eigenen Vorfahrt, von Autobussen und von der Tiefgarage erreichbar. Näheres ist ohne Pläne vorzuzeigen schwer zu schildern. Zur besseren Information ist an ein Animationsvideo (erreichbar von unserer Homepage) gedacht. Auf mich haben die gezeigten Pläne dieses Bereichs einen guten Eindruck gemacht. Die der Bewegung von Außen zum Saal sowie der Erholung dienenden Räume und Flächen erscheinen großzügig, funktionsgerecht und durch Tageslicht vom Volksgarten sehr hell. 

HALTESTELLE UND ANDERE FRAGEN 

Unseren Wunsch, die Haltestelle Goethestraße mit dem Theaterbau durch eine gedeckte Konstruktion zu verbinden (da es keine eigene Haltestelle Theater geben wird), haben wir wieder deponiert. Die Erfüllung scheint möglich, da die Häuser zwischen Scharitzerstraße und Blumau renoviert werden. Neben den genannten Planungsbereichen gäbe es noch eine Menge Einzelheiten zu nennen, wie etwa die Stehplatzfrage, den teilbaren Orchestergraben, die Rampe entlang dieses Grabens, die Zugänglichkeit der Bühne vom Saal aus, den Souffleurkasten in Bühnenmitte, das Untertitelproblem, die Park- und Garagenmöglichkeiten und ähnliches. Genaues dazu würde den Rahmen dieses Berichts sprengen. 

GESTÄRKTE ZUVERSICHT 

Erwähnen möchte ich aber meinen sehr positiven Eindruck von der Gewissenhaftigkeit und Professionalität, mit der die Errichtungsgesellschaft optimale Entwürfe anstrebt und einfordert. Mit großem Nachdruck urgiert sie offensichtlich immer weitere Verbesserungen und Verfeinerungen der Planungsbereiche, um dem idealen Entwurf unter den gegebenen Randbedingungen möglichst nahe zu kommen. Meine früher an dieser Stelle geäußerte Skepsis, bedingt durch den Vortrag des Architekten am 2. Oktober 2006 (siehe Linzer Musiktheater 23/2 November/Dezember 2006) im Architekturforum, ist nun einer Zuversicht gewichen, dass dieser Theaterbau etwas Besonderes und vielleicht sogar Einzigartiges im breiten Umfeld werden wird. Das erfordert noch bedeutende Anstrengungen von allen Beteiligten. Da dieses "besondere Musiktheater" das eigentliche Ziel unseres Vereins seit mehr als 20 Jahren ist, sehen wir es als unsere Aufgabe, alle uns mögliche Unterstützung (Hinterfragung, Rat, Kritik, Zustimmung) zu geben. Wir "bleiben dran".