Erschütterungsschutz

Unser Vereinsvorstand hat sich in seinem Bestreben, in wesentliche Musiktheater-Planungen Einblick zu erhalten, mit den projektierten Maßnahmen gegen Elektrostörfelder und gegen Erschütterungen befasst. Die Errichtungsgesellschaft informierte uns dazu am 22. April 2008 in zwei ausführlichen Vorträgen aus erster Hand. In diesem Artikel berichte ich über Maßnahmen gegen Erschütterungen, im nächsten dann über die Elektrostörfelder und deren Abschirmung.

Von Dipl.-Ing. HILDEBRAND HARAND

ALLGEMEINES ZU DEN ERSCHÜTTERUNGS-EINWIRKUNGEN

Jedes Bauwerk wird von mehreren Einwirkungen "belastet", die meistens vom Standort, aber auch von der Nutzung abhängen. Zu den für ein Opernhaus besonders ernst zu nehmenden Einwirkungen zählen Elektromagnetfelder und Erschütterungen aus der Umgebung. Bei beiden ist der Bauplatz in der Blumau nicht gerade günstig, liegt er doch zwischen Straßenbahn und Eisenbahn, den größten Erregern solcher Belastungen. Daher muss ihnen schon frühzeitig besondere Beachtung geschenkt werden.

Mit der Planung des Schutzes gegen Erschütterungen wurde das Ingenieurbüro Schimetta Consult beauftragt, das auch schon die Umfahrungsstraße geplant hat und - wie man hört - gegenwärtig die gesamte Statik bearbeitet.

Den Vortrag für unseren Vereinsvorstand hielt Dipl.-Ing. Dr. Roman Geiger (Schimetta Consult), der selbst mit der Leitung der Maßnahmen gegen Erschütterungen befasst ist. Im folgenden halte ich mich an die Gliederung seiner Mitteilungen:

1.) Erschütterungsquellen

Erschütterungen sind durch Anreger erzwungene Vibrationen des Bodens, die sich in ihm fortpflanzen und sich in benachbarten Häusern störend bemerkbar machen. Weiters ist auch der von den Erschütterungen verursachte Luftschall zu beachten.

Je weiter ein Anreger von der betroffenen Empfangsstelle entfernt ist, umso geringer ist seine Auswirkung. Daher ist für unser Musiktheater die ganz nahe am Bauplatz vorbeiführende Straßenbahn als Erregerquelle weit ein-flussreicher als die doch relativ weit entfernt vorbeiziehende Westbahn. Zudem wurden die Rampen der Straßenbahn ohne Dämpfungsmaßnahmen errichtet, während ihr Tunnelbereich sowie auch die Geleise der Westbahn bereits durch den Einbau von Schichten, die Erschütterungen dämpfen, entschärft sind.

Neben den Erregerquellen Straßenbahn und Eisenbahn ist auch der Autoverkehr zu nennen, der aber weit weni-ger Wirkung hat als die beiden Bahnen. Auch innerhalb des Bauwerks treten Erschütterungen auf, wie etwa das Laufen von Menschen auf Gängen solche hervorruft.

2.) Abhängigkeit des Schutzausmaßes von der Bauwerksfunktion

Nicht alle Teile unseres Bauwerks muss man in gleicher Weise gegen Erschütterungen schützen. Bei der Schutz-Planung werden nun Baubereiche ihrer Funktion entsprechend untersucht. Foyer, Saal, Bühne, Brucknersaal (für das Orchester) und Studiobühne sind wesentlich sensibler als der Einfahrtsbereich, der Werkstättentrakt und die Garagen.

3.) Messtechnische Untersuchungen

Um gezielt Maßnahmen gegen Erschütterungen setzen zu können, muss man wissen, wie groß diese sind und wie sie sich in Abständen von ihrer Quelle verringern, bevor sie auf das geplante Bauwerk treffen. Daher hat Schimetta Consult entsprechende Messungen in der Natur vorgenommen. In der jetzigen Baugrube für die Straße wurde an mehreren Messstellen die Abstrahlung und Ausbreitung der von der Westbahn verursachten Energie gemessen. Rechtwinkelig zu den Gleisen wurden Erregermesser aufgestellt und durch 2 Tage hindurch das Vorbeifahren der Züge, auch mehrerer zugleich, beo-bachtet. Es zeigte sich, dass durch die Verlegung des Theatergebäudes an den Volksgartenrand und durch Anordnung der unsensiblen Räume entlang der Umfahrungsstraße die Einwirkung der Erschütterungen aus dem Westbahnbetrieb auf die sehr sensiblen Räume nicht allzu hoch ist.

Weniger günstig liegt die Auf- und Abfahrtsrampe der Straßenbahn besonders in Hinblick auf Brucknersaal und Studiobühne. Die Messungen an der Rampenwand sind daher maßgebend für die Dimensionierung des Erschütterungsschutzes.


Für unser Musiktheater ist die ganz nahe am Bauplatz vorbeiführende Straßenbahn als Erregerquelle von Erschütterungen einflussreicher als die weit entfernt vorbeiziehende Westbahn. Die Messungen an der Rampenwand, die im Bild vorgenommen werden, sind maßgebend für die Dimensionierung des Erschütterungsschutzes. (Alle Fotos: Schimetta Consult)

Abschließend wurden die Auswirkungen der Erschütterungen aus den genannten Quellen in einem bestehenden Bauwerk, der Bundesbahndirektion, gemessen. Jedes Gebäude ist ja durch seine Bauart in der Lage, einen Teil der ankommenden Erschütterungsenergie abzubauen, bevor sie zum Benutzer vordringt. Mit einigen Umrechnungsfaktoren kann man Schlüsse aus den Immissionsmessungen im Direktionsgebäude auf das künftige Theatergebäude ziehen.


Der Schutz gegen Erschütterungen wird dadurch erzielt, dass geeignete Werkstoffe zwischen das Bauwerk und das die Schwingungen übertragende Erdreich verlegt werden. Es ist sowohl eine flächige Lagerung (links) wie auch eine streifenförmige Lagerung (rechts) möglich.

4.) Rechnerische Nachweise

Schimetta Consult hat ein räumliches Rechenmodell nach der Methode der Finiten Elemente für das gesamte Theaterbauwerk erstellt. Auf dieses werden die gemessenen Erschütterungen als Einwirkungen angesetzt und ihre Auswirkung errechnet, nämlich das Ausmaß von Schwingungen einzelner Bauteile wie Decken, Säulen, Wände und Träger in den verschiedenen Räumen des Bauwerks. Diese Größe ist auch abhängig von der Lage des Bauteils im Objekt, weil Schwingungen im Abstand zum Fundament immer größer werden.

5.) Konzept für den Erschütterungsschutz

Der Schutz gegen Erschütterungen wird dadurch erzielt, dass man geeignete Werkstoffe zwischen das Bauwerk und das die Schwingungen übertragende Erdreich verlegt. Zunächst wird nach dem Erdaushub die ganze Baugrube mit Beton ausgekleidet, sodass eine Art Wanne entsteht. Auf diese wird das Dämmmaterial - voraussichtlich hier etwa 50 mm dicke Sylomerplatten - geklebt, analog der Verfliesung eines Schwimmbeckens. Dann wird das eigentliche Tragwerk darauf errichtet, wobei natürlich zu beachten ist, dass schwere Einzellasten aus Säulen vorher durch entsprechend dicke Bodenplatten verteilt werden, um die zulässige Pressung der Dämmplatten einzuhalten.

Neben dieser allgemeinen Dämpfungsmaßnahme werden sensible Bauteile noch zusätzlich durch Fugen von den anderen abgetrennt und werden in diesen Fugen wieder Dämmplatten verlegt. Die Ermittlung der erforderlichen Konsistenz, Wirksamkeit und Festigkeit der Dämpfungsmateriale ist eine schwierige Ingenieuraufgabe, die heute aber durch leistungsfähige EDV-Programme er-folgreich optimiert werden kann.

Das Ziel, die Abschirmung der sensiblen Räume vor Erschütterungseinwirkungen, lässt sich jedenfalls durch bauliche Maßnahmen erreichen.

6.) Zusammenfassung

Die Probleme der Erschütterungen bei diesem Bauprojekt sind in erster Linie wegen der Straßenbahnrampe größer als an anderen Bauplätzen, aber durch sorgfältige Planung und besondere bauliche Dämpfungsmaßnahmen beherrschbar. Derzeit wird das Gesamtkonzept des Erschütterungsschutzes, ausgehend von den Quellen und ihren Entfernungen und bezogen auf die einzelnen Bauwerksfunktionen ausgearbeitet. Natürlich muss jeder Schritt mit der statischen Berechnung und den Standfestigkeitsnachweisen abgestimmt werden. Auch mit dem Akustikplaner ist Kontakt zu halten. Schließlich ist das Erschütterungsproblem entfernt mit dem Tönen von Musikinstrumenten verwandt. Das Anstreichen der Saite ist die Anregung, das Schwingen des Geigenkörpers die Folge. Das gilt ähnlich für den Zuschauersaal. Jedenfalls dürfen die Dämpfungsmaßnahmen gegen ungewollte Schwingungen nicht die gewollte Mitwirkung des Raumes an der Musikausbreitung beeinflussen.

SCHLUSSBEMERKUNG

Unser Vorstand hat den Eindruck gewonnen, dass die Errichtungsgesellschaft und die von ihr bestellten Planer das Problem der Erschütterungen sehr sorgfältig behandeln. Dass dieser Bauplatz zwischen Bahn, Straße und Straßenbahn besondere Anstrengungen abverlangt, war uns immer bewusst. Dass gerade die Straßenbahn die einflussreichste Erschütterungsquelle ist, war nicht so ohne weiteres erkennbar. Die Messungen haben es gezeigt. Vor einiger Zeit haben wir die Verlegung der Rampe zum Zweck einer eigenen Straßenbahnhaltestelle "Musiktheater-Blumau" angeregt, was aus Kostengründen nicht aufgegriffen wurde. Vielleicht könnte man doch noch darüber nachdenken, ob man nicht durch eine neue Rampe Dämpfungsmaßnahmen im Theaterbau einsparen und gleichzeitig eine Haltestelle gewinnen könnte.